Jens Schwamborn: Medikamente zur Bekämpfung von Corona umnutzen
21.11.2021
Wissenschaft, Forschung & Technik
OrganoTherapeutics, das von Jens Schwamborn und Javier Jarazo in Luxemburg gegründete Unternehmen, ist ein Spin-off der Universität Luxemburg. Das eigentliche Ziel ist es, Medikamente zur Behandlung von Parkinson zu entwickeln. Hierfür werden in vitro Hirnorganoiden, sogenannte Mini-Brains, gezüchtet. Als sich im Zuge der aktuellen Corona-Forschung herauskristallisierte, dass SARS-CoV2 sich nicht nur auf die Atemwege auswirkt, kam das Team um Jens Schwamborn zu dem Schluss, dass ihre Mini-Gehirne ein geeignetes Werkzeug zur Entwicklung neuer Wirkstoffe sein können, die spezifisch auf die neurologischen Aspekte einer Infektion mit dem Virus Einfluss nehmen. Um hier die Forschung schnell vorantreiben zu können, arbeitet OrganoTherapeutics mit dem Luxembourg Institute of Health (LIH) und DeepBioInsights zusammen. Das Projekt wird von der luxemburgischen Regierung unterstützt.
• SARS-CoV2 greift potentiell das Gehirn an
• Weitere Angriffspunkte von SARS-CoV2
• Forschung und Testreihen mit den Mini-Gehirnen von OrganoTherapeutics
• Die Erweiterung des Modells für die SARS-CoV2-Forschung
SARS-CoV2 GREIFT potentiell DAS GEHIRN AN
In Wuhan wurden mit 214 an SARS-CoV2 erkrankten Patienten Untersuchungen angestellt, welche ergaben, dass 78 von ihnen außer den bereits bekannten Atemwegsproblemen auch neurologische Auffälligkeiten aufwiesen. Dabei gab es keinen Unterschied, ob die Krankheitsverläufe schwerer waren oder weniger schwer. Bereits bei früheren Versuchen mit SARS-CoV1 war aufgefallen, dass einige Bereiche im menschlichen Gehirn neuronale Verluste aufwiesen. Auch wurde bei den verwandten Coronaviren SARS-CoV und MERS-CoV eine neurologische Auswirkung festgestellt. Für Jens Schwamborn war der Gedanke entsprechend naheliegend, dass auch SARS-CoV2 nicht nur das Atemwegssystem, sondern eventuell auch das Gehirn angreift.
WEITERE ANGRIFFSPUNKTE VON SARS-CoV2
Jens Schwamborn erläutert weiter, dass das Virus zwar durchaus die Zellen des Atemwegssystems befällt, aber es ist sogar im persistenten Stuhl der SARS-CoV2-Patienten nachweisbar, was darauf hinweist, dass der Darm ebenfalls befallen werden kann. Die Auswirkungen sind hier nicht allzu gravierend, doch bedeutet dies, dass das Virus in der Lage ist, sich in Arten von Zellen und Geweben festzusetzen und dort zu vermehren. Auch in den Nieren und der Leber von Infizierten konnte SARS-CoV2 nachgewiesen werden. Betroffen waren hier in der Studie vor allem Patienten mit Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Diabetes. Jens Schwamborn spricht im Allgemeinen von zwei Wegen, über die das Virus in das zentrale Nervensystem vordringen kann: über das Blut und über eine neuronale Verbreitung.
FORSCHUNG UND TESTREIHEN MIT DEN MINI-GEHIRNEN VON ORGANOTHERAPEUTICS
Die Hirnmodelle, welche Jens Schwamborn mit OrganoTherapeutics züchtet, können sich in der Corona-Forschung als hilfreich erweisen. Das Modell wurde ursprünglich zur Erforschung von Parkinson und zum Testen von Wirkstoffen gegen diese Krankheit entwickelt, doch lässt es sich leicht modifizieren, um auch im Kampf gegen Corona bei der Untersuchung von SARS-CoV2 und zum Testen möglicherweise wirksamer Substanzen eingesetzt werden zu können.
• Im ersten Schritt werden Hirnorganoiden gezüchtet. Dies erfolgt durch eine Entnahme von Hautzellen, aus denen Stammzellen gezüchtet werden, die wiederum zu Hirnzellen weiterentwickelt werden. Hier macht sich die große Erfahrung bezahlt, die Jens Schwamborn und OrganoTherapeutics bereits seit Jahren mit ihrer Entwicklung von Mini-Gehirnen sammelten. Sobald diese Hirnorganoiden vollständig entwickelt sind, werden sie an das Luxembourg Insitute of Health weitergegeben, wo sie in Hochsicherheitslaboren und größtmöglichen Schutzbedingungen mit SARS-CoV2 infiziert werden. Nach Abschluss dieser Behandlung werden die Mini-Gehirne einer weiteren Prozedur unterzogen, die das Virus inaktiviert. Nur so kann ein gefahrenfreier Rücktransport zu OrganoTherapeutics gewährleistet werden, erklärt Jens Schwamborn.
• Der zweite Schritt besteht darin, dass die mit SARS-CoV2 infizierten Mini-Brains eingehend analysiert werden. Untersucht werden von Jens Schwamborn und seinem Team dabei vor allem das Absterben der Zellen und die Reduzierung der neuronalen Funktion in den Mini-Gehirnen. Hier kommen Hochdurchsatz-Mikroskope und leistungsstarke Computer-Cluster zum Einsatz, verrät Jens Schwamborn. Die so gewonnenen Daten können zeigen, welche Veränderungen der Gene die Virusinfektion ausgelöst hat.
Das Modell der Mini-Brains zeigt nicht nur für die Corona-Forschung neue, bisher nicht dagewesene Möglichkeiten auf, es kann sich auch in anderen Forschungsbereichen von großem Nutzen erweisen.
Auch weitere Zelltypen, die mit den Neuronen interagieren, können auf diese Weise berücksichtigt werden, indem sie mit in die Mini-Gehirne eingebunden werden. So wird es möglich, weitere Erkenntnisse über die neuronalen Abläufe im menschlichen Gehirn zu gewinnen, so dass möglicherweise langfristig eine wirksame Therapie gegen Parkinson und auch gegen andere Krankheiten gefunden werden kann, ist sich Jens Schwamborn sicher. Die Mini-Gehirne ermöglichen es, Forschung da zu betreiben, wo aus ethischen Gründen der Wissenschaft bislang Grenzen gesetzt waren.
DIE ERWEITERUNG DES MODELLS FÜR DIE SARS-CoV2-FORSCHUNG
Die Zusammenarbeit mit DeepBioInsights ermöglicht es Jens Schwamborn und OrganoTherapeutics, in der Forschung mit ihren Hirnorganoiden noch zwei Schritte weiter zu gehen:
• Beim sogenannten Drug Repurposing werden bereits bekannte und in anderen Bereichen angewendete Medikamente mithilfe von künstlicher Intelligenz zur Anwendung gegen SARS-CoV2 getestet. Statt eines üblichen Screenings greift man bei OrganoTherapeutics auf den von DeepBioInsights entwickelten Ansatz der künstlichen Intelligenz zurück, um zu wesentlich schnelleren und präziseren Ergebnissen zu gelangen. Auf diese Weise können mit den Hirnorganoid-Modellen einige wenige Moleküle gefunden werden, die in der Folge experimentell gegen das Coronavirus eingesetzt werden.
Neue Mini-Gehirne werden gezüchtet und wieder am Luxembourg Institute of Health mit SARS-CoV2 infiziert. Jedoch erfolgt dann, ebenfalls am LIH, eine Gabe der in Frage kommenden Wirkstoffe, um die mit SARS-CoV2 infizierten Mini-Gehirne auf diese Weise zu behandeln. Sobald diese Hirnorganoiden wieder bei OrganoTherapeutics eingetroffen sind, wird mit der Analyse zur Wirkung der Behandlung mit den Wirkstoffen begonnen. Hier werden hoffentlich sehr bald geeignete Verbindungen identifiziert, aus denen sich Medikamente zur Behandlung der neurologischen Aspekte von SARS-CoV2 entwickeln lassen, so Jens Schwamborn.
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Herr Jens Schwamborn
Avenue des Hauts-Fourneaux 6A
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