Digitalisierung braucht Räume für neues Denken in der Verwaltung
19.10.2016
Bildung, Karriere & Schulungen
Stuttgart. Wenn die Arbeits- und Informationsverdichtung zunimmt, macht dann nicht eine intensivere Automatisierung von Vorgängen Sinn? Wer trifft dann aber in der Zukunft die Entscheidungen, Computer oder Mensch? Wie kann mit Komplexität umgegangen werden? - Einige von vielen Aspekten, die die Digitalisierung nicht nur innerhalb der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt. Der Umgang damit war darum auch zentrales Thema im "BW-Forum Personalverantwortliche im öffentlichen Dienst", das zum siebten Mal über 130 Experten zu Diskussion und Austausch angeregt hat.
Kaum planbare Herausforderungen wie etwa der Umgang mit Flüchtlingen verlangen komplexe Antworten und schnelle Reaktionszeiten von den öffentlichen Institutionen. "Diese Re-Aktivität kann nicht mit den bestehenden Ablaufen und Zuständigkeiten ‚abgewickelt' werden", so die Erfahrungen von Veronique Lévesque, der Leiterin Qualitätsmanagement der Bildungsdirektion Basel-Land.
Neues Denken, höhere Agilität und eine veränderte Kultur innerhalb der öffentlichen Verwaltung sind darum auch die zentralen Aspekte an diesem Tag im Stuttgarter Hospitalhof, wie Christine Ehrhardt, Leiterin des Kompetenzzentrums Arbeit • Diversität der Familienforschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt skizziert. Gemeinsam mit der Führungsakademie, und dem Ministerium für Soziales und Integration sorgen die Partner seit 2013 mit dem BW-Forum für neue Impulse in der Branche.
Digitalisierung ist immer auch Neuland
Digitalisierung hat viele Facetten: Von der E-Akte über die Herausforderungen der Demografie und IT-Sicherheit über neue Formen des Personalmarketings und Mitarbeiter-Kommunikation bis zu "Big Data". Dazu komme ein Mehr an Regelungen oder neue Wettbewerbssituationen auch für Behörden.
Für Katja Schwarz, Projektleiterin an der Führungsakademie, ist ein Ergebnis des BW-Forums, dass die öffentlichen Einrichtungen in ihrer digitalen Ausrichtung unterschiedlich weit entwickelt sind. "Während man in der einen Behörde noch Anwenderschulungen durchführt, damit Outlook genutzt wird, arbeitet die andere schon mit collaborativen Lösungen oder in einer weiteren sind bereits über 40 Prozent der Beschäftigten an Telearbeitsplätzen tätig", so Schwarz. "Organisationen müssen sich von einer Präsenzkultur zu einer Ergebniskultur verändern, das heißt Zielorientierung statt Stechuhr."
Digitalisierung ist darum auch immer Neuland. Und das setzt auch ein neues Selbstbewusstsein von Führungskräften im Umgang mit Fehlern voraus, verdeutlicht Wolfgang Brauchler. Der Senior Manager beim Beratungsunternehmen BearingPoint macht in seiner Keynote darum in Zeiten der Veränderung Mut für eine neue Fehlerkultur. "Verwaltung muss hier von der Wirtschaft lernen", so Brauchler. "Wir brauchen auf jeden Fall nachhaltige Denkräume für den Austausch. In denen auch Querdenker gehört werden", fordert Dr. Christine Dörner, Expertin für Organisationsentwicklung an der Führungsakademie.
Digital Leadership bietet neue Kommunikationstools
Die Digitalisierung eröffnet neue Kommunikationsmöglichkeiten, die gerade übergreifende Team- oder Projektarbeit auch für die öffentliche Verwaltung erleichtern können. Darum wirbt Dr. Elke Bernniger-Schäfer für den Einsatz von neuen digitalen Tools. Die Vorteile liegen für die Leiterin des Coaching-Zentrums der Führungsakademie vor allem in der Bandbreite visueller Darstellungen oder der Möglichkeit einer zeitversetzten Kommunikation etwa bei Projekten. Die Ansprüche an Führung verändern sich durch die Digitalisierung. "Von Führungskräften wird nicht nur eigene Medienkompetenz erwartet, sondern sie müssen auch die Beschäftigten motivieren, ihre digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten auch im beruflichen Umfeld einzusetzen", so Berninger-Schäfer.
Dass Führungskräfte eine Affinität zu digitalen Medien mitbringen müssen, dieser Überzeugung ist auch der Verwaltungsexperte Carsten Köppl vom Fachmagazin Behörden Spiegel. Er fordert, dass Mitarbeiter in Zukunft viel öfter auch das private Laptop oder Smartphone am Arbeitsplatz nutzen dürfen. "Die Verwaltung profitiert durch ein Mehr an Vernetzung und Organisation, private Geräte müssen darum in den Verwaltungsalltag integriert werden". Und auch Prozesse können durch Zentralisierung bürgerfreundlicher gestaltet werden. So lassen sich Massenprozesse in Service-Centern auch automatisieren. "Wir können das Knowhow und den Input der Bürger noch viel mehr durch einfach bedienbare Apps in die Verwaltungsprozesse integrieren", ist sich Köppl sicher. Dabei fängt die Zukunft häufig klein an: Erste Ansätze sieht er etwa durch digitale Meldemöglichkeiten defekter Straßenlaternen oder von Schlaglöchern.
Die Kultur in der Verwaltung muss sich verändern
Die Zukunft der Verwaltung liegt in der Teamarbeit - standortunabhängig, vernetzt und flexibel. Für Philipp Deutsch, Abteilungsleiter bei BITBW braucht die Verwaltung ein effektives Change- und Veränderungsmanagement, um die Organisation effizienter zu gestalten. "Wir müssen die Mitarbeiter der Landesverwaltung für die Digitalisierung begeistern", so Deutsch. Seine Erfahrung: Regelmäßige Informationen, Schulungen und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Beschäftigten sorgen für Akzeptanz.
Für die Stadt Karlsruhe zeigt sich moderne Verwaltung in gelungener Zusammenarbeit. In regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen findet darum ein Monitoring des Führungs- und (Zusammen)-Arbeitsverhalten statt. Für Dr. Björn Appelmann, Leiter der Stabstelle für Verwaltungs- und Managemententwicklung der Stadtverwaltung Karlsruhe, ist das "Miteinander, das jeden Einzelnen stärkt, die unbedingte Voraussetzung dafür, dass wir in jeder Organisation komplexen Herausforderungen gerecht werden können".
Digitalisierung für die Personalgewinnung nutzen
Mit neuen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten bieten sich Chancen, Verwaltung auch nach außen attraktiver zu machen. So wirbt die Stadt München mit Radiospots oder YouTube-Videos für die Kommune als Arbeitgeber. "Das Personalmarketing der Städte kann durch neue digitale Plattformen profitieren. Denn so erreicht man die Zielgruppen unmittelbar", so die Erfahrungen von Marketing-Expertin Julia Wilson bei der Stadt München. "Der öffentliche Dienst braucht mehr Selbstbewusstsein, denn hier arbeiten Menschen für das Allgemeinwohl". Allerdings muss auch intern die Karriere in der Verwaltung attraktiver gestaltet werden. So bietet die Stadt München etwa nur noch unbefristete Verträge.
Den Mitarbeitern Zeit für Veränderung lassen
"Viele Beschäftigte brennen wie eine Kerze an zwei Enden", mahnt Dr. Wolf-Dietrich Hammann, Amtschef im Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg. "Burnout nimmt zu". Darum gelte es auch, sich noch intensiver um die Mitarbeiter zu kümmern und mit ihnen "sorgsam umzugehen". Das bedeute auch, dass mehr Geld in Weiterbildung investiert werden müsse, damit Digitalität im Arbeitsalltag beherrschbar werde und nicht für Frust sorge. "Lebenslanges Lernen erfordert auch Zeit", so Hammann.
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Führungsakademie Baden-Württemberg
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