Breitbandausbau in Deutschland gewinnt an Dynamik
04.03.2019
PC, Information & Telekommunikation
Mit fast 500 Gästen aus dem In- und Ausland hat das diesjährige Breitband-Symposium in Garmisch-Partenkirchen am 20. und 21. Februar 2019 einen neuen Besucherrekord aufgestellt. Die im achten Jahr in Folge von der vor Ort ansässigen Langmatz GmbH organisierte Veranstaltung hat sich längst als zentrale Plattform der FTTH-Branche erfolgreich etabliert. "Die hervorragende Resonanz dieser Veranstaltung ist Ansporn für uns, ein solches Thema auf die Beine zu stellen", betonte Stephan Wulf, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Langmatz in seiner Begrüßungsrede.
Am ersten Tag des Symposiums hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich in einer Vielzahl spannender Vorträge im Kongresshaus über den Stand der Digitalisierung in Deutschland und Europa sowie aktuelle Marktentwicklungen im Breitbandausbau zu informieren. Für die Moderation sorgten in diesem Jahr Kerstin Stromberg-Mallmann und Josef Lohr, Funktionsstellenleiter Produktanlauf bei Langmatz. Das von der Vier-Schanzen-Tournee bekannte Olympia-Skistadion wurde tags darauf von Langmatz zum Open House umfunktioniert. Dort präsentierte der Organisator in einem großen Zelt seine neuesten Produkte für den Glasfaserausbau gemeinsam mit den unterschiedlichen Angeboten der 26 Partnerfirmen. Die Räume auf dem Schanzentisch, mit spektakulärem Ausblick ins Tal, wurden für Workshops rund um den Breitbandausbau genutzt. Die Themen: "Richtiges Handling der Glasfaser im Installationsalltag", "Alternative Verlegetechniken" und "LWL Inhouse Verteilkonzepte". Außerdem hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, mit einem Shuttlebus in das nahe gelegene Langmatz Werk in Oberau zu fahren, um dort die verschiedensten Produktionsabteilungen kennen zu lernen.
Langmatz: Im Markt gesetzt
Als mittelständisches Unternehmen ist Langmatz auf die drei Bereiche Energietechnik, Telekommunikation und Verkehrstechnik spezialisiert. Wobei die Telekommunikation in den letzten Jahren immer mehr Raum einnehme, erläuterte Stephan Wulf in seiner Einführung. "Mit 50 Jahren im Markt ist Langmatz etabliert, wir sind gesetzt", fasste er die erfolgreiche Entwicklung zusammen. Getrieben durch die Projekte im Breitbandausbau ist der Gesamtumsatz im letzten Jahr auf 90 Millionen Euro angestiegen. Damit ist Langmatz in Deutschland und im europäischen Ausland gut verankert. Wulf: "Was man in Deutschland bei Unternehmen nicht mehr so häufig findet und Langmatz als Unternehmen so besonders macht, ist die hohe Kernkompetenz in allen Fertigungsprozessen." Dies schließt die CAD-gestützte Konstruktion des Produktes ein und den Formenbau bis hin zur Fertigung des Endprodukts im eigenen Maschinenpark. Auch die hochwertigen Kunststoffe aus Recyclat werden im eigenen Hause hergestellt. Neben einer Vielzahl von Produkten für den Glasfaserausbau, die vom Central Office bis zum Teilnehmer reichen, sind Kabelschächte aus Kunststoff, die sich auch in FTTH-Projekten etabliert haben, ein zentraler Bestandteil des Portfolios. In diesem Segment ist Langmatz sowohl in Deutschland als auch Europa Marktführer.
Wie kommen wir in die Gigabit-Gesellschaft?
Geht es nach Dr. Iris Henseler-Unger, Geschäftsführerin des Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (wik), gibt es in den nächsten Jahren drei wichtige Punkte auf dem Weg in die Gigabit-Welt: neue Technik, neue Kunden und neue Gesetze. Beim Endkunden ist Glasfaser eine neue Technik, aber auch 5G - darüber hinaus würden noch weitere Mobilfunk-Frequenzen in den Markt kommen. Ziele des Koalitionsvertrags, wie Leitmarkt für 5G zu werden und eine lückenlose Mobilfunkversorgung für den ländlichen Raum sicher zu stellen, sieht Dr. Henseler-Unger noch in weiter Ferne. Die Bundesregierung nehme dies alles sehr ernst, auch in Bezug auf die Förderung, jedoch "fehlt noch viel, das Breitbandziel 2025 zu erreichen." Für die Unternehmen bedeute die künftig auf Glasfaser beruhende Basisinfrastruktur unzählige Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle und Wachstum. Die sich durch neue Gesetzesgrundlagen - vornehmlich von der EU - ergebenden neuen Rahmenbedingungen seien erstmal für alle gut. "Aber die Leute warten ab", sagte sie, "eventuell verbessern sich die Konditionen." Es müsse sich im Markt rechnen, so ihre Einschätzung. "Was im Gesetz steht, ist zunächst irrelevant."
Digitalisierung in Europa: Das Beispiel Estland
Wie sich die Digitalisierung in Europa entwickelt, zeigte Heiko Voss in seinem Vortrag am Beispiel Estlands. Der Geschäftsführer von Voss Telecom Services GmbH und Gesellschafter von Estonian Fibre gab anhand des Cisco-Studienberichts von 2018 einen Einblick, wie Europäer den Prozess der Digitalisierung erleben. Demnach nehmen wir die zunehmende Digitalisierung vor allem in unserer Freizeit wahr (35,8%), erst danach folgt die Arbeit (23,4%). Bei unseren Gefühlen dominiert die Neugier (23,5%) nur ganz knapp vor der Genervtheit (22,8%). Ganz anders in Estland: "e-Estonia - the coolest digital society" sei eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, die aus einer Partnerschaft zwischen einer zukunftsorientierten Regierung, einem aktiven IT-Sektor und einer technisch versierten Bevölkerung entstand, so Voss. Die Esten seien sehr stolz auf diese Entwicklung, nähmen sich selbst als digitale Gesellschaft wahr und hätten weniger Ängste. Kernziele der estnischen Regierung sind verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, Wohlstand der Bevölkerung und einfache sowie effiziente öffentliche Verwaltung. "Herzstück der Digitalisierung in Estland ist die 2002 eingeführte elektronische ID, die von 98 Prozent der Bürger genutzt wird", erläuterte Voss das Erfolgskonzept der dortigen Digitalisierung.
Stadtwerke München: Digitalisierung einer Infrastruktur aus dem letzten Jahrhundert
Mit 1,2 Millionen Kunden, 9.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 7,2 Milliarden Euro zählen die Stadtwerke München (SWM) zu den größten deutschen Energieversorgern. Wie eine Großstadt die Digitalisierung vorantreibt und neue Geschäftsfelder durch den Breitbandausbau erschließt, schilderte Dr. Jörg Ochs, Geschäftsführer SWM Infrastruktur GmbH & Co. KG. Eine moderne Glasfaserinfrastruktur mit 9.000 Kilometern Länge bilde in München die Basis für die Digitalisierung, erläuterte er in seinem Vortrag. Für den geplanten 5G-Ausbau habe man beispielsweise bereits alle Bushäuschen mit Glasfaser vernetzt. Ein kostenloses WLAN mit 1.500 Access Points verbindet die Bürger, das größte öffentliche TETRA-Netz sorgt für eine krisensichere Infrastruktur und ein LoRaWAN dient als effiziente Sensorvernetzung im Umfeld von IoT und Smart City. Neue Technologien werden beispielsweise im Wasserverlustmanagement eingesetzt. "Unser Ziel ist die KI-basierte Analyse von Audio-Daten", erzählt er. Dafür werden an Hydranten Sensoren angebracht, um herauszufinden, wo eine Wasserleckage entstehen wird. Jährliches Investitionsvolumen in die TK-Infrastruktur: 50 Millionen Euro. Zum Ende seines Vortrages führte er die Zuhörer mit einem Video in die Welt einer gerade entstehenden Smart City, dem M-Quartier mit 33 Hektar Fläche.
Neue Verlegetechnik: Wie H-Trenching die Prozesse beschleunigt
Fabian Stadelmeier, verantwortlich für Sonderverlegetechnologie bei der Leonhard Weiss GmbH & Co. KG, gab in seinem Referat aus der Perspektive eines Tiefbauunternehmens Einblicke in die Entwicklung von Trenching in Deutschland. Beim so genannten H-Trenching (H steht für hochwertig) handelt es sich um eine Verlegetechnik im Netzausbau, bei der Asphaltoberflächen aufgefräst werden, um darin Leerrohre zu verlegen. Dieses Verfahren, welches bei Leonhard Weiss bereits seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt wird, kann die Ausbaugeschwindigkeit um das Sechsfache erhöhen, die Effizienz von Bauabläufen steigern und die Kosten um zehn bis 15 Prozent minimieren. Dass es für den erfolgreichen Einsatz dieser Methode zwingend notwendig ist, spezifische Qualitätskriterien einzuhalten und sie keine Patentlösung für jede Verkehrsfläche ist, machte er anhand eines Praxisberichts aus dem eigenen Hause deutlich. Es bestehe Verwirrung bei Kommunen, Netzbetreibern und Bauunternehmen, wie das Verfahren genau aussieht, da unterschiedliche Technologien angewandt werden, so Stadelmeier. Seine Empfehlung an Vertreter des Bundes, der Länder und Kommunen: "Wir müssen das Wissensdokument "H-Trenching" zu einem Normentwurf entwickeln, das die Einhaltung der Qualitätsstufen vorgibt."
Ergebnis der Podiumsdiskussion: Trenching im Tiefbau
Die im Anschluss geführte Podiumsdiskussion drehte sich um die Frage, ob das Trenching eher als alternative Verlegetechnik der Zukunft oder als potentielle Fehlerquelle im Netzausbau zu bewerten sei. Ein Grundkonsens bestand darin, dass der Einsatz vom Einzelfall abhänge. Ein Vorschlag lautete, Trenching für Strecken zu nutzen und mit konventionellem Tiefbau zu kombinieren. Von vielen Seiten wurde gefordert, wie bereits von Fabian Stadelmeier zuvor in seinem Vortrag, für das Trenching einen klaren Qualitätsstandard festzulegen, der zur Norm werden sollte.
IT-Sicherheitsgesetz: Konsequenzen für KRITIS Dienstleister
Um den Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) und die Auswirkungen aktueller Gesetzgebungsvorhaben auf nationaler und supranationaler Ebene, ging es in dem Vortrag von Matias Krempel. Der stellvertretende Leiter des Arbeitskreises "Audits und Standards" machte die Zuhörer auf die Bedrohungsszenarien aufmerksam, die durch unsere Abhängigkeit von Telekommunikation und Strom in unserer digitalen Welt bestehen. "Wenn wir von Schutz reden, reden wir über unsere bedrohten Assets, um diese zu schützen", stellte Krempel klar. Die EU sei gerade in der Endphase eines neuen Gesetzes, dem "Cybersecurity Act", das die "Essential Services" zum Gegenstand habe und in Deutschland im Rahmen des IT-Sicherheitsgesetzes umgesetzt wird. Damit werde der Fokus auf Sicherheit in der Lieferkette erweitert, auf Produkte, Services und Prozesse. Seine Empfehlung: "Wir sollten Schicksalsgemeinschaften von Herstellern und KRITIS-Dienstleistern organisieren, um die Standards mitzugestalten und in die bestehenden Prozesse zu integrieren."
Langmatz: Schutz kritischer Infrastruktur gegen unberechtigten Zugriff
Welche Produkte ein Hersteller zum Schutz kritischer Infrastruktur entwickelt, war Gegenstand des Referats von Curt Badstieber, bei Langmatz für das Technical Business Development zuständig. "Bereits seit Ende der 90er Jahre erleben wir im Rahmen von Vandalismus und Terrorismus Angriffe auf die Glasfaser", stellte er einleitend fest. Die Antwort von Langmatz auf Bedrohungen der Infrastruktur lautet: Erschwerter Angriff mit einfachen Maßnahmen. Dazu gehören Entwicklungen wie eine mechanische Schachtdeckelsicherung mit einem verschraubten Deckel und kodierten Schraubenköpfen. Wichtig sei dabei, Schachtdeckel oder Außenschränke nie mit Logos zu versehen, um niemand durch diese Signale anzulocken. Es gelte, wirksame Hürden für potentielle Angreifer aufzubauen, so Badstieber. Bei der Mechanischen Zugangssicherung 2.0 etwa, wird in den Kabelschacht ein Deckel mit Schwenkhebelschloss eingebaut, der verhindert, dass ein Täter mit einfachen Werkzeugen das verschlossene und verriegelte Bauteil aufbrechen kann. Unterflurlösungen, so ein anderes Beispiel, dienen dem "Verstecken der Infrastruktur." Kaum einer würde realisieren, dass etwa eine Mobilfunkstation unter der Erde liegt. Für den Schutz der Glasfaser hat Langmatz überdies optische Überwachungssysteme im Portfolio. Diese machen eine lückenlose Überwachung von aktiven Fasern und unbeschalteten Kabeln möglich und erkennen einen unbefugten Zugriff auf Schächte oder Außenschränke - dazu gewährleisten sie absolute Abhörsicherheit.
Digitale Agenda: Anspruch und deutsche Wirklichkeit
Dass der Anspruch der digitalen Agenda und die Wirklichkeit hierzulande weit auseinanderklaffen, schilderte Jürgen Vogler, Geschäftsführer der procilon IT-Solutions GmbH, in einem amüsanten Vortrag zum Abschluss des Veranstaltungstages. Von der niedrigen Internetgeschwindigkeit, den nicht gehaltenen Versprechen der Bundesregierung im Hinblick auf den Breitbandausbau, über die Probleme mit der Förderung, den Querelen um die Versteigerung der 5G-Mobilfunknetze, bis hin zu den explodierenden Kosten für den Flughafen BER: So sähe die deutsche Realität nun mal aus, sagte er nicht ohne Selbstironie. Vogler sieht in der Digitalisierung keinen Selbstzweck: "Wir müssen das intelligent tun." Er wünsche sich eine Digitalisierung mit Verstand - und möglichst sicher - so sein Credo.
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