Auch Unverheiratete können Kinderwunschbehandlung absetzen
10.09.2024
Familie, Kinder & Zuhause
Fast jedes zehnte Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos und auf reproduktionsmedizinische Hilfe angewiesen. Die Kosten werden nicht immer von der Krankenkasse übernommen. Eine Steuerentlastung gab es bisher nur bei krankheitsbedingter Kinderlosigkeit der Frau sowie bestehender Ehe. Der Bundesfinanzhof (BFH) schafft nun neue Hoffnung: Auch eine gesunde und unverheiratete Frau kann die Kosten für eine Präimplantationsdiagnostik (PID) zur Feststellung von Veränderungen des Erbmaterials und eine anschließende künstliche Befruchtung von der Steuer absetzen, wenn ihr Partner an einer Erkrankung leidet.
Präimplantationsdiagnostik zur Vermeidung von Krankheiten
Im verhandelten Fall wies der Partner der Steuerpflichtigen eine erblich bedingte Chromosomenmutation auf. Dadurch war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein auf natürlichem Weg gezeugtes gemeinsames Kind entweder mit schwersten Behinderungen auf die Welt gekommen oder nach der Geburt erst gar nicht lebensfähig gewesen wäre. Das Paar ließ sich bei einer Kinderwunschklinik humangenetisch und psychosozial beraten.
Um das vorliegende Risiko zu umgehen, entschied sich das Paar zu einer künstlichen Befruchtung und einer Präimplantationsdiagnostik, die genetische Veränderungen an den Zellen des Embryos vor dem Einsetzen in die Gebärmutter identifiziert. Der Großteil der Behandlungen wurde an der Frau im Rahmen der künstlichen Befruchtung vorgenommen. Da die Frau selbst gesund war, musste das Paar die Kosten in Höhe von ca. 23.000 Euro selbst tragen. Mit ihrer Steuererklärung machte die Frau die Ausgaben schließlich als außergewöhnliche Belastung geltend. Doch das zuständige Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab, weil das Paar nicht verheiratet war.
Künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung
Die Steuerpflichtige ging vor Gericht und das niedersächsische Finanzgericht gab der Klägerin recht. Es sah die Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastung als erfüllt an, da die medizinischen Maßnahmen notwendig waren, eine durch Krankheit des Partners beeinträchtigte körperliche Funktion auszugleichen. Allerdings wurde nur der Teil der Kosten, welche die Steuerpflichtige selbst bezahlt hatte, anerkannt. Die vom Partner bezahlten Rechnungen wurden bei der Frau nicht berücksichtigt, da keine Ehe bzw. Zusammenveranlagung gegeben war. Das örtliche Finanzamt ging gegen dieses Urteil in Revision und so landetet der Fall schließlich vor dem BFH.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichtes. Zudem erklärte er, dass die Gesundheit der Klägerin und deren Ehestatus im Sinne des Einkommensteuergesetzes keine Rolle spielen. Im Urteil wurde auf den untrennbaren biologischen Zusammenhang in Bezug auf einen Kinderwunsch hingewiesen. Zum einen hätte die Erbkrankheit des Partners auf die Frau Auswirkungen gehabt, zum anderen hätte eine medizinische Behandlung eines Partners allein nicht für den Zweck ausgereicht. Somit waren die Maßnahmen am gesunden Körper der Frau steuerlich gerechtfertigt. Weiterhin waren die pränatalen Behandlungen durch die Ärztekammer medizinisch indiziert und wurden im Einklang mit deutschem Recht nach dem Embryonenschutzgesetz durchgeführt. Der Abzug als außergewöhnliche Belastung im Ausmaß des Urteils vom Finanzgericht wurde zugelassen.
Die Reichweite des BFH-Urteils
"Die von den Kassen nicht übernommenen Kosten für eine künstliche Befruchtung waren bisher auch schon steuerlich absetzbar. Allerdings beschränkte sich das auf Fälle, in denen ein Paar verheiratet oder die Frau unfruchtbar war", erklärt Tobias Gerauer, Vorstand der Lohnsteuerhilfe Bayern (Lohi). Die Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch musste also bei der Frau liegen. Neu an diesem richtungsweisenden Urteil ist, dass das Paar nicht verheiratet war und die Problematik beim Mann lag. Damit wurde ein Präzedenzfall für Paare geschaffen, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, so der Steuerexperte der Lohi. Der Kostenabzug oberhalb der zumutbaren Belastungsgrenze ist somit einem größeren Teil an Steuerpflichtigen zugänglich gemacht worden.
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