Pressemitteilung von Herwig Klemp

Das Rebhuhn: Ein Kulturfolger wird Opfer der Agrarpolitik


Freizeit, Buntes & Vermischtes

Herwig Klemp http://www.Landsicht.net

Das Rebhuhn ist ein Feldvogel und eine Charakterart unserer Kulturlandschaft. Ursprünglich stammt es aus natürlichen Steppenlandschaften. Nach Mitteleuropa konnte es einwandern, als unsere Vorfahren einen Großteil des Landes der Natur abgerungen hatten, um Landbau zu treiben. Der Mensch ging in die Wälder und Sümpfe, rodete sie oder legte sie trocken, um Feldfrüchte anzubauen und Tiere zu halten. Wann immer es soweit war kam das Rebhuhn - deshalb nennt man es Kulturfolger.

Denken Naturfreunde an das Rebhuhn, so wird sich ihnen wahrscheinlich folgende Assoziation aufdrängen: Ein Gang durch sommerliche Felder. Plötzlich ein Gewirr von Geräuschen: lautes Flügelburren und durchdringende Rufe "ripriprip...". Eine Gruppe kleiner brauner Feldhühner fliegt niedrig über dem Acker oder Feld davon, wobei sich Serien rascher Flügelschläge mit Gleitstrecken ablösen. Vielleicht aber taucht auch ein winterliches Bild vor dem inneren Auge auf: ein Volk von Rebhühnern auf verschneitem Acker?

An ihren Lebensraum stellen die gedrungenen Feldhühner keine allzu hohen Ansprüche - immerhin sind sie über viele Jahrhunderte sehr häufige Bewohner der Feldflur gewesen. Rebhühner bevorzugen trockenen Untergrund, sind also keine Art der Feuchtwiesen. Auch sind es Vögel des Tieflandes, gehen nicht weit hinauf in die Berge. Sie kommen halt aus den östlichen Steppengebieten. Wie die Assoziation an eine winterliche Feldflur schon nahelegt, brauchen die Vögel keine ständige Deckung. Dennoch sind sie auf eine gegliederte Landschaft angewiesen. Hecken, Gebüsche und Waldränder, Staudenfluren an Feld- und Wegrainen und Grabenrändern und Brachflächen bieten ihnen Verstecke und Nahrung. In guter Deckung baut das Weibchen auch sein Nest. Gleich nach dem Schlüpfen sind die Küken auf den Beinen und beginnen, Insektennahrung zu suchen. Erst mit etwa vier Wochen nehmen sie die Vorliebe ihrer Eltern für pflanzliche Nahrung an.

Hohe Ansprüche an den Lebensraum sehen anders aus. Und so zeigt eine über 200-jährige Datenreihe auch: Von 1793 bis 1952 blieben die Rebhuhnbestände in Europa stabil. Doch dann ging es rapide bergab. Wo aus mitteleuropäischen Ländern Statistiken vorliegen, ging das Rebhuhn zwischen 1979 bis 1990 zwischen 75 bis 85 % zurück. In Deutschland waren selbst in den 90-er Jahren noch schwerwiegende Rückgänge zu beobachten.

"Wachsen oder weichen." Dieses Motto steht seit Beginn der Wirtschaftswunderjahre nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Fahnen der Landwirtschaftspolitik, der deutschen wie später der gemeinsamen europäischen. Wachsen steht nicht allein für die ständige Vermehrung der pro Betrieb bewirtschafteten Fläche oder der Zahl der Tiere in den Stallungen. Wachstum bedeutet mehr Technik, mehr Dünger und Pestizide pro Hektar bei weniger Einsatz von menschlicher Arbeitskraft auf dem Hof. Wachstum bedeutet die maschinengerechte Landschaft, Wachstum bedeutet, mehr aus der Fläche herausholen zu müssen. Und es bedeutet, das jeweils Marktgängigste anzubauen. Früher waren Fruchtwechsel und Brache wichtige Steuerungsmechanismen zur Gesunderhaltung des Bodens. Heute steuert man mit Dünger und Chemie. Das Ganze nennt sich "Strukturwandel".

Die politisch gewollte Entwicklung hin zu einer immer stärker spezialisierten und automatisierten Landwirtschaft mit höherem Input von Düngemitteln und Pestiziden bei höherem Output von Produkten pro Arbeitskraft, Fläche oder Stall: Sie bedeutet weniger blühende Wildpflanzen und Insekten in der Feldflur, dichter und höher stehende Nutzpflanzen, weniger Staudenfluren an Hecken, Waldrändern, Gräben und Wegen, größere Felder. Für das Rebhuhn: weniger Nahrung, weniger Deckung und Verstecke. Auch weniger Schutz vor dem Fuchs, denn der schnürt natürlich die wenigen verbliebenen Staudensäume an Weg und Waldrand entlang auf der Suche nach Gelegen oder Jungvögeln.

Wachsen konnte das Rebhuhn nicht. Nur weichen. 75 bis 85% Rückgang zwischen 1970 und 1990 und weiterer Schwund auch danach.

1950 gab es in Deutschland mehr als 2 Millionen Bauernhöfe. 2010 waren es noch 374.500. Dies ist ein Rückgang von mehr als 80 %.

Man darf wohl sagen: Bauernhöfe und Rebhühner schwanden in etwa der gleichen Geschwindigkeit dahin. Wer dies bedauert und wer den ständigen Niedergang der bäuerlichen Landwirtschaft aufhalten will, der wird von den Vertretern der intensiven, exportorientierten Landwirtschaft als Romantiker abgetan, der nicht verstanden hat, was wichtig ist.

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