Automatisierte Kleinteilelogistik macht Ausnahmesituation beherrschbar
18.11.2020
Maschinenbau
Höhere Effizienz in der Abwicklung eines stetig wachsenden Auftragsvolumens: Mit diesem Ziel entschied sich die Dieckhoff & Ratschow Praxisdienst GmbH & Co.KG aus Longuich bei Trier für den Einsatz eines AutoStore-Systems. Dank automatisierter Kleinteilelogistik kann der europaweit aktive Lieferant von Medizinprodukten nun auch die unerwartete Ausnahmesituation der Covid-19-Pandemie zuverlässig bewältigen.
Kompressen und Tupfer, Spritzen und Kanülen, Laborwaagen oder komplette OP-Einrichtungen: Was auch immer Mediziner für die Arbeit an Ausstattung oder Verbrauchsmaterial benötigen, steht im Logistikzentrum von Praxisdienst auf Abruf bereit. 1953 in Wuppertal gegründet, etablierte sich das Unternehmen erfolgreich als erster Anbieter, der die komplette Bandbreite an Medizinprodukten auf dem Versandweg in alle Teile der Bundesrepublik lieferte. Mit dem Umzug nach Longuich erweiterte Praxisdienst ab 1978 das Einzugsgebiet auf die angrenzenden Benelux-Staaten und die gesamte DACH-Region, seit 2008 ist das gesamte Sortiment via Onlineshop auch weiter darüber hinaus zugänglich. Auf mehr als 7.000 m2 Fläche umfasst das im Logistikzentrum vorgehaltene Angebot rund 20.000 Posten, verteilt auf 26.000 Lagerplätze. Überwiegend handelt es sich um Kleinteile, die bislang in zwei Meter hohen Fachbodenregalen untergebracht und manuell kommissioniert wurden.
Verschenkter Platz in hohen Hallen
Mit steigendem Auftragsvolumen konnte Praxisdienst die Nachfrage während der vergangenen Jahre aber immer schwerer zuverlässig bewältigen. "Um die Kunden weiterhin zeitnah beliefern zu können, musste die Dauer der Auftragsabwicklung drastisch verkürzt werden", sagt Praxisdienst-Geschäftsführer Michael Heine. Das Unternehmen präferierte eine Lösung, um den zur Verfügung stehenden Raum des Logistikzentrums optimal zu nutzen. Denn: Die händisch erreichbaren Fachbodenregale nahmen einen großen Teil der Fläche in Anspruch, bei einer Hallenhöhe von 7,5 m wurde zugleich aber auch viel Platz "verschenkt".
Als Alternative kam für Praxisdienst nur eine automatisierte Kleinteilelagerung infrage, die möglichst ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen schnell realisierbar sein sollte. "Zunächst haben wir ein Paternoster-Konzept in Betracht gezogen", berichtet Michael Jäkel, der bei Praxisdienst die Bereiche E-Business und IT verantwortet, "die Montage wäre aber recht aufwändig geworden und die angestrebten Pickzahlen hätten wir damit auch nicht erreichen können." Im Fehlerfall sei zudem ein großer Teil der Artikel eines Regals vorübergehend nicht erreichbar, was schnell zu einem Rückstau in der gesamten Auftragsabwicklung führen könne. Die aus der Sicht von Praxisdienst notwendigen Anforderungen sah das Unternehmen daher nur mit dem AutoStore-Konzept in vollem Umfang erfüllt: Größtmögliche Verdichtung der Lagerfläche, schnelle Bereitstellung der angeforderten Artikel und minimale Ausfallsicherheit.
Ausnahmesituation mit Zeitfenster
Den Zeitpunkt für den Einsatz von AutoStore hätte Praxisdienst kaum besser wählen können. Nachdem AM-Automation im Dezember 2019 mit der Realisierung des Projektes beauftragt worden war, geriet der Medizinprodukt-Lieferant infolge der Covid-19-Pandemie bald darauf in eine unvorhersehbare Ausnahmesituation. Das Interesse an Hygieneprodukten wie Einmalhandschuhen und Schutzmasken erreichte innerhalb kürzester Zeit ungeahnte Höhen, gleichzeitig konnte die Nachfrage angesichts unterbrochener Lieferketten immer weniger befriedigt werden. Andererseits eröffnete sich dadurch ein Zeitfenster für die reibungslose Umstellung der Intralogistik: Nach den vorbereitenden Bodenarbeiten im Frühjahr startete AM-Automation Anfang Juni mit der AutoStore-Montage. Während sich die Lagerflächen im Sommer langsam wieder mit dem dringend benötigten Nachschub füllten, konnte die automatisierte Kleinteilelagerung zügig fertiggestellt und schon Mitte August nach und nach in Betrieb genommen werden. "Mit Blick auf die zweite Infektionswelle war das perfektes Timing", sagt Praxisdienst-Geschäftsführer Michael Heine. Und Johannes Traub, Vertriebsleiter von AM-Automation, ergänzt: "Der Terminplan war für das gesamte Projekt von zentraler Bedeutung, aber glücklicherweise konnten wir trotz eingeschränkter Lieferketten alle erforderlichen AutoStore-Komponenten problemlos bereitstellen."
Weniger Fläche, höhere Leistung
Inzwischen wurde das Kleinteilesortiment von Praxisdienst aus den Fachbodenregalen komplett in AutoStore umgelagert und findet nun Platz in 15.000 AutoStore-Behältern (Bins) mit einer Außenhöhe von je 330 mm, bei einem Volumen von je 75 l. Zehn Roboter kümmern sich auf der Oberseite der Anlage um die Bereitstellung der angeforderten Artikel, die an vier Arbeitsplätzen am Fuß der knapp 7,5 m hohen Konstruktion entnommen und auf den Versand vorbereitet werden. "Der Flächenbedarf unserer Kleinteilelagerung ist um zwei Drittel gesunken, während sich die Leistung in der Auftragsabwicklung mehr als verdoppelt hat", freut sich Geschäftsführer Heine. Und auch wenn es für bestimmte Artikel aus dem Praxisdienst-Sortiment immer noch vorübergehende Lieferengpässe gibt, läuft das AutoStore-System nun im Zwei-Schicht-Betrieb auf Hochtouren - gefragt sind zurzeit vor allem Corona-Testkits. "Mit der Realisierung des Projektes konnten wir nicht nur den unerwarteten Nachfrageschub in den Griff bekommen, sondern unsere Marktposition insgesamt nachhaltig ausbauen", resümiert Heine. Und damit das so bleibt, soll AM-Automation die gerade erst in Betrieb genommene AutoStore-Anlage schon in wenigen Monaten auf eine Kapazität von insgesamt 27.869 Behälter erweitern.
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