Ewig schuldig? Ulli Hoeneß und die deutsche Fehlerkultur
29.11.2016
Politik, Recht & Gesellschaft
Natürlich hat Uli Hoeneß Fehler gemacht, doch er wurde bestraft. Nur reicht das anscheinend vielen nicht. Einmal gescheitert, immer gescheitert? Manchmal hat Katja Porsch das Gefühl, wir sind das Land der ewig Sühnenden. Aber wohin soll das führen? Für Katja Porsch steht fest: "Egal, ob im Sport, als Kind oder im späteren Leben: Wir lernen nun mal aus unseren Fehlern und nicht aus unseren Triumphen. Solange alles funktioniert, denkst du nicht darüber nach. Fehler sind doch nichts anderes als ein Lernprozess, in Deutschland sind sie ein Vermeidungsprozess. Und damit haben wir das Problem: Wie wollen wir in der heutigen Zeit, in der Disruption, immer schnellere Veränderungen und Unsicherheiten den Alltag prägen, ohne Fehler bestehen? Wie wollen wir wachsen und das Optimale aus uns und der Situation rausholen, wenn wir nicht bereit sind, zu scheitern und Fehler zu machen? Und wie wollen wir uns weiter entwickeln, wenn wir immer nur an Vergangenem festhalten oder darauf festgenagelt werden? Die Folge dieser Nullfehler-Denke und Ewig-Sühnen-Mentalität ist Angst. Angst davor, dass wir scheitern und das wir auch zu dem Kreis der Loser und Versager gezählt werden." Katja Porsch, die selbst zwei Mal pleite war, rät: "Wir sollten aufhören, Fehler als etwas Endgültiges und absolut Schlechtes anzusehen. Wenn wir an einem einmal gemachten Fehler festhalten, wenn er wie ein Makel an uns klebt, wie wollen wir dann frei und produktiv in die Zukunft blicken?"
Ein schönes Beispiel, wie auch anders gehen kann, kommt aus den USA: Die Unternehmerin Mimi Silbert hat ca 1500 Mitarbeiter. Ihr Unternehmen ist die "Delancey Street Foundation". Das Besondere: Ihre Mitarbeiter sind ehemalige Häftlinge. Durchschnittlich 18 Mal verurteilt, sieben Jahre im Gefängnis und Analphabeten. Die wenigsten hatten jemals einen qualifizierten Job und über 85% sind heroinsüchtig. Das Erstaunliche ist, dass Mimi Silbert bei ihrer Arbeit mit diesen Menschen eine Erfolgsquote von über 65% hat. In vier Jahren bekommen sie in ihrer Organisation eine umfassende, berufliche und soziale Ausbildung. Nach dieser Zeit haben sie eine Hochschulzulassung, drei marktfähige Fähigkeiten erlernt und sind als Verkäufer, Rechtsanwalt Polizist, Geschäftsmann.
Ein wichtiger Baustein dieses Erfolges ist laut Silbert ein Prozess, den sie "Auflösung" nennt. Es ist ein Prozess "des Friedenschließens mit sich und der Vergangenheit". In einer Wochenend-Marathon-Sitzung müssen alle Häftlinge ehrlich auf sich und ihre Vergangenheit schauen. Das Ziel dieser Sitzung ist, den Häftlingen dabei zu helfen ihre Schuldgefühle, die sie mit ihren bisherigen Verhaltensweisen verbinden, loszuwerden. Mimi Silbert sagt dazu: "Schuldgefühle führen zum Selbsthass und der wiederum führt zu Schuldgefühlen." Aus dieser Abwärtsspirale will sie ihre Bewohner mit der "Auflösung" befreien. Welchen Erfolg genau das Gegenteil, nämlich das Abstempeln und festhalten an einmal begangenen Straftaten hat, sehen wir häufig bei uns.
All das heißt nicht, dass wir Fehler im Nachhinein beschönigen oder gutheißen müssen. Nein, wir müssen sie nur dort lassen, wo sie hingehören. In der Vergangenheit. Solange wir dazu nicht bereit sind, weder bei uns noch bei anderen, werden wir nie wirklich wachsen und immer hinter unserem Potenzial hinterherlaufen. Weitere Informationen unter: <a href="http://www.dann-tritt-zurueck.de">http://www.dann-tritt-zurueck.de</a>
Bildquelle: Goldegg Verlag
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