Parteipolitik schlägt Wissenschaft
29.06.2017
Politik, Recht & Gesellschaft
Von Detlef Brendel
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt erntet Kritik für seine geplante Strategie zur Reduzierung von Fett, Salz und Zucker in Lebensmitteln. Diese Kritik bezieht sich nicht auf die Tatsache, dass es erstens keine wissenschaftlich validen Fakten für die Reduzierung gibt und dass zweitens der Bezug auf die WHO-Empfehlungen ein Skandal ist. Diese Organisation wird durch NGOs gesteuert, die beispielsweise für ihre Zucker-Empfehlung nachweislich dubiose Studien konstruiert haben, die höchste Ansprüche an Manipulation erfüllen und nicht den geringsten Anforderungen an wissenschaftliche Qualität genügen. Was sollen Zahlen einer Kariesstudie von 1946 in Japan mit dem Zuckergehalt von deutschen Lebensmitteln im Jahr 2017 zu tun haben? Definitiv nichts. Man hätte im Ministerium genauer hinsehen sollen, statt sich dem Zeitgeist zu beugen.
Der Kotau vor dem Zeitgeist ist bei anderen Politikern aber weitaus intensiver ausgeprägt. Da die Parteipolitik das weiß, was Wissenschaftler nicht belegen können, wollen jetzt auch die Ernährungs-Fachkräfte der Grünen dem Genuss der Deutschen eine Ernährungswende verordnen. Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Nicole Maisch, fordert klare Vereinbarungen zur Reduktion statt der vom Minister geplanten freiwilligen Selbstverpflichtung. Angesichts der drastischen Zunahme von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so die Expertin für staatliche Ernährungs-Bevormundung, sei dringend Handlungsbedarf geboten. Derart gedanklicher Brei lässt jede sachliche Kompetenz vermissen.
Nicole Maisch tischt paternalistische Vorstellungen auf, die belegen, wie wenig sie von Ernährung, Lebensstil und der Herausbildung von Krankheiten verstanden hat. Die Krankheit Zucker kommt nicht vom Zucker-Konsum. Statistische Gewichtszunahme in der Bevölkerung, wobei der Sinn des BMI zunehmend kritisch bewertet wird, hat viele Gründe. Der wohl Wichtigste liegt in der bewegungsarmen Lebensweise, die auch für die Herausbildung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen relevant ist. Und dann werden wir, aller angeblich ungesunden Ernährung zum Trotz, immer älter. In der Konsequenz haben wir, zumindest statistisch, Krankheiten, vor denen die Menschen vor Jahren noch der frühe Tod bewahrt hat. Es wird noch schlimmer kommen: Ein in diesem Jahr geborenes Mädchen hat in Deutschland eine durchschnittliche Lebenserwartung von 92,9 Jahren, ein Junge kommt auf 89,8 Jahre. Man stelle sich vor, welche Gebrechen bei einer Bevölkerung mit Senioren von durchschnittlich 90 Jahren auftreten. Schließlich wird auch dann noch die Mortalitätsrate bei 100 Prozent liegen. Angesichts dieser Perspektiven sind weder das staatlich verordnete Müsli-Rezept noch das Salz-Verbot beim Frühstücksei hilfreiche Maßnahmen. Bewegung tut den Menschen gut. Mentale Bewegung würde auch vielen Politikern helfen.
Detlef Brendel ist Autor des Buches " Die Zucker-Lüge (http://www.randomhouse.de/Paperback/Die-Zucker-Luege/Detlef-Brendel/Ludwig/e489063.rhd#buchInfo1)", in dem er sich u.a. kritisch mit den Irrungen der so genannten Ernährungsaufklärung und der Bevormundung der Verbraucher beschäftigt (Ludwig-Verlag ISBN 978-3-453-28075-5).
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