Pressemitteilung von Andreas Wolff

Demenz-Theaterstück "Kreisel" bewegte die Zuschauer bei der AGAPLESION BETHANIEN DIAKONIE


Medizin, Gesundheit & Wellness

Ein Mann, vier Personen, viele Persönlichkeiten. Der Schauspieler Thomas Borggrefe ist mal Vater, mal Sohn, dann auch eine ältere demente Dame oder dozierender Fachmann. Das Publikum bemerkt den Rollenwechsel meist erst mit einiger Verzögerung. Der Übergang wird in der Darstellung nicht immer klar abgegrenzt. Diese Irritationen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Aufführung und sind von Borggrefe durchaus beabsichtigt. Wer sich nicht entscheiden kann, ob er in die Welt des Vaters oder des Sohnes "mitgehen" soll, taucht durch die konturlosen Übergänge ganz wie von selbst in beide Welten ein.

Ebenso spielt Thomas Borggrefe mit dem Erinnerungsvermögen des Publikums: "Ich packe in meine Tasche: ein Buddelschiff, ein Redemanuskript, eine Spieldose, eine Taschenuhr, eine Maria, ein Maßband, eine Puppe, ein Portemonnaie ..." Man fühlt sich erinnert an die Fernsehshow "Am laufenden Band" mit Rudi Carrell aus den 1970er Jahren. Als die Tasche gepackt ist, tritt der Schauspieler aus seiner Rolle heraus und wendet sich an die Zuschauer: "Was habe ich als Zweites eingepackt, was als Vorletztes?" Keine Antwort. "Funktioniert Ihr Kurzzeitgedächtnis nicht mehr?" Schweigen.

So fließend die Grenzen zwischen den Rollen vor allem von Vater und Sohn, so unbemerkt setzt der Prozess der Demenzerkrankung ein. "Tanzt du mit Mama? Mama ist doch tot. Lass das sein", bittet der Sohn den mit seinem Jackett tanzenden Vater und scheint sich für ihn zu schämen. Der Vater verliert zunehmend die Kontrolle über sich selbst. Von den Veränderungen ist der Sohn mal peinlich berührt, dann wieder genervt, entsetzt, enttäuscht oder auch traurig, dass er mit dem Vater nicht mehr so reden kann wie früher. Borggrefe versteht es, die unterschiedlichen Gemütslagen mit ausdrucksstarker Mimik überzeugend darzustellen. Zusätzliche emotionale Akzente setzt die die Szenen begleitende Musik - melancholisch, wehmütig, manchmal auch heiter.

Die Dialoge sind aus dem Leben gegriffen. Realistisch und ungekünstelt sprechen Vater und Sohn miteinander und aneinander vorbei. Gelegentlich verhaspeln sie sich, was den Spielfluss etwas stört. Wenn der Sohn das Tun der professionellen Pflegekräfte moniert, dürfte diesen das nicht unbekannt vorkommen: "Schwester, warum ist mein Vater nicht rasiert?" Kussattacken einer dementen Mitbewohnerin weist der Sohn vehement zurück: "Lassen Sie meinen Vater in Ruhe, er hatte schon eine Frau!" Als dozierender Fachmann schlägt Thomas Borggrefe meist einen oberlehrerhaften Ton an. Unweigerlich fragt man sich, ob sie so sind, die Fachkräfte, und ob sie aufgrund ihres Mehrwissens absichtlich oder unabsichtlich immer etwas von oben herab sprechen. Gleichwohl sind Borggrefes "fachliche" Erklärungen mehr anschaulich als akademisch - wie in der Szene, in der er versucht, die Ursachen der Persönlichkeitsveränderung eines Demenzkranken zu veranschaulichen.

Als "Dozent" baut er das menschliche Gehirn mit wenigen Requisiten auf der Bühne auf. Dafür braucht er vier Stühle - je einen für die linke und die rechte Hälfte des Großhirns und die linke und rechte Hälfte des Kleinhirns - sowie einen Tisch für die Gehirnrinde. Auf den Stühlen platziert er je einen Gegenstand für die Beziehungsfähigkeit, für die Fähigkeit, sich in Raum und Zeit zu verorten, für motorische Fähigkeiten und für das Sprachvermögen bzw. den Intellekt. Bei einem gesunden Menschen sind all diese Bereiche vielfach verknüpft, bei Menschen mit Demenz werden diese Verbindungen nach und nach gekappt. "Es gibt einen Kurzschluss im Gehirn", beschreibt der Schauspieler den Prozess sehr plastisch, "bis nichts mehr Kontakt mit dem anderen hat."

Immer mehr tritt der Sohn daher in den Kreis des Vaters, immer mehr übernimmt er die Regie über dessen Leben. Als der Sohn mit dem Vater ein Pflegeheim besichtigen will, die gepackte Tasche schon dabei, wehrt sich dieser ein letztes Mal: "Ich will da nicht rein." In der nächsten Szene lebt er bereits dort.

Besonders intensiv wirkt der Moment, als der Sohn seinen Vater im Heim besucht und ihn liebevoll fragt, ob sie gemeinsam "Hänschen klein" singen sollen und daraufhin gemeinsam in das bekannte Kinderlied einstimmen. In dem an die Aufführung anschließenden Gespräch mit dem Schauspieler greift eine Psychologin diese Szene auf und erklärt, wie beglückend es für professionelle Pflegekräfte sei, wenn ein dementer Bewohner alt vertraute Melodien singe. Der Angehörige empfinde diese Situation allerdings häufig ganz anders. Der Vater sei als Richter am Amtsgericht ein angesehener Mann gewesen. Wie kann man mit ihm ein Kinderlied singen? Das wird seiner Persönlichkeit doch überhaupt nicht gerecht. Nur, welche Persönlichkeit ist da gemeint?

Am Schluss gibt es viel Applaus für den Künstler, der sich in der "eine kleine Stunde" dauernden Vorstellung ganz verausgabt hat. Das Publikum dankt Thomas Borggrefe dafür, dass er die Schwere und das Leiden nicht verhehlt, sondern offen dargestellt hat.

"Kreisel" ist ein gelungener Ansatz, sich über das Theater dem Thema Demenz zu nähern - unmittelbarer, bewegender, aufwühlender, als es ein Fachvortrag zu leisten vermag. Der Wirkung dieser Theatervorstellung im AGAPLESION BETHANIEN SOPHIENHAUS konnte sich an diesen Abenden niemand entziehen!
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