Pressemitteilung von Ingrid Heinlein

"Kündigung" häuslicher Telearbeit


Politik, Recht & Gesellschaft

1.Die Beendigung alternierender häuslicher Telearbeit durch den Arbeitgeber stellt regelmäßig eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1
BetrVG dar und unterliegt daher der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.
2.Dies gilt auch für üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigte Arbeitnehmer (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).
3.Eine vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vereinbarung, die die Beendigung alternierender häuslicher Telearbeit ohne Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers zulässt, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

(Leitsätze der Verfasserin)
LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.09.2014 - 12 Sa 505/14


Der Arbeitgeber hatte mit dem Arbeitnehmer, der bei ihm als Kundenbetreuer und stellvertretender Niederlassungsleiter beschäftigt ist, in einer Zusatzvereinbarung vereinbart, dass für ihn ein häuslicher Telearbeitsplatz eingerichtet und dort die Arbeitsleistung zu mindestens 40 % der Arbeitszeit erbracht wird. Die Bedingungen des Ergänzungsvertrags waren vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen (nach der Rechtsprechung sind mindestens drei erforderlich) vorformuliert (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Jahre später kündigte der Arbeitgeber die Ergänzungsvereinbarung, ohne den Betriebsrat zu beteiligen.
Die Ergänzungsvereinbarung enthält eine Klausel, dass ein Rechtsanspruch auf einen alternierenden Telearbeitsplatz nicht begründet wird und die außerbetriebliche Arbeitsstelle von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 4 Wochen zum Wochenschluss aufgegeben werden kann.
Der Arbeitnehmer verlangt mit seiner Klage, dass er weiterhin zu den Bedingungen der Ergänzungsvereinbarung mit häuslicher Telearbeit beschäftigt wird. Wie schon in erster Instanz hatte der Arbeitnehmer auch vor dem LAG Düsseldorf Erfolg. Revision beim BAG ist eingelegt.
Das LAG hält die "Kündigung" zum einen für unwirksam, weil der Arbeitgeber das Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG nicht durchgeführt hat. Dies sei erforderlich, weil die Maßnahme eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn darstelle. Das leuchtet ohne weiteres ein. U.a. wegen der zusätzlich anfallenden Fahrzeiten und der umfassenderen Einbindung in den Betriebsablauf ist die Beendigung der häuslichen Telearbeit für den Arbeitnehmer mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG).
Besonders bemerkenswert ist, dass das LAG Düsseldorf die Maßnahme als Versetzung qualifiziert, obwohl es davon ausgeht, dass es sich bei dem Kläger, der zu einem Großteil seiner Arbeitszeit bei Kunden tätig wird, um einen nach der Eigenart seines Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmer handelt. Nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt bei derartigen Arbeitnehmern die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung. Ändern sich aber die Umstände der Arbeitsleistung erheblich, findet, so zutreffend das LAG, § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG keine Anwendung.
Zum anderen verneint das LAG die Wirksamkeit der vertraglichen Klausel, dass die außerbetriebliche Arbeitsstätte ohne Angabe von Gründen aufgegeben werden kann.
Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff BGB) ist im Zweifel anzunehmen, dass eine vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsklausel unwirksam ist, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist. Die Klausel, die dem Arbeitgeber die Aufgabe der außerbetrieblichen Arbeitsstätte ohne Angabe von Gründen ermöglicht, weicht nach Auffassung des LAG von § 106 Satz 1 GewO ab, da sie nicht erkennen lässt, dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss.

Fazit
Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen. Dem muss nach der Entscheidung eine Klausel in Allgemeinen Arbeitsbedingungen, die dem Arbeitgeber die Beendigung alternierender häuslicher Telearbeit ermöglicht, entsprechen. Die freie Widerruflichkeit durch den Arbeitgeber schränkt das LAG Düsseldorf somit ein. Ob § 106 Satz 1 GewO oder nicht vielmehr § 2 KSchG der zutreffende Maßstab ist, bedarf allerdings der Diskussion.
Betriebsräten verdeutlicht die Entscheidung vor allem, dass die Beendigung alternierender häuslicher Telearbeit der Mitbestimmung unterliegt und die Zustimmung unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert werden kann. Eine Versetzung aufgrund unwirksamer Klauseln in Allgemeinen Vertragsbedingungen kann zur Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berechtigen.

Autor und zuständig für Rückfragen: Rechtsanwältin Ingrid Heinlein
heinlein@fachanwaeltinnen.de in der Kanzlei Bell & Windirsch, Düsseldorf.
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