Der EU Green Deal strebt nach mehr als Klimaschutz
25.07.2023
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Oft wird über den EU Green Deal lediglich im Zusammenhang mit Klimaschutzbemühungen berichtet. Der ehrgeizige Plan der Europäischen Union hat aber auch andere Beweggründe. Welche das sind und welche Instrumente im Zuge des Green Deals zum Einsatz kommen werden, hat Marcus Schneider im Rahmen der globalen Konferenz Assent Evolve 2023 am 14. und 15. Juni erläutert. Schneider ist Nachhaltigkeitsexperte bei Assent Inc. (Assent), einem der führenden Unternehmen im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements in Lieferketten.
Neben Klimaschutzbestrebungen spielen auch politische Überlegungen eine Rolle bei der Ausarbeitung des Green Deals. Eine davon ist die Entschlossenheit der EU, ihre Abhängigkeit von Nicht-EU-Ländern in Bezug auf Rohstoffe zu reduzieren oder sogar zu beenden. Die anvisierten Ziele sind ein unabhängiger Militärsektor sowie die Stabilität der EU-Wirtschaft insgesamt. Angesichts der Rohstoffknappheit innerhalb der Europäischen Union sehen EU-Institutionen das Recycling von Produkten als einen Kernpunkt des Green Deals.
Ein weiteres Motiv ist die Absicherung von Unternehmen innerhalb der EU. Absehbare Konsequenzen des Klimawandels sind beispielsweise Überflutungen und Dürren, denen viele Lieferanten bereits jetzt ausgesetzt sind und vermehrt sein werden. Die Verlagerung von zumindest Teilen dieser Lieferketten in die EU würde Versicherungsrisiken verringern und quantifizierbar machen.
Um die Umsetzung der Green-Deal-Vorgaben durch die Unternehmen zu gewährleisten, hat die EU zahlreiche Instrumente geschaffen. Die Hauptsteuerungsinstrumente sind die EU-Taxonomie, die gegenwärtig zur Revision anstehende Richtlinie zur Umweltkriminalität und die Marktüberwachungsrichtlinie. Diese schaffen einen Rahmen, innerhalb dessen Einzelinstrumente, wie z.B. die anstehende Ökodesign Verordnung (ESPR) mit dem digitalen Produktausweis, Regulatorien zur Produktkonformität, oder auch Richtlinien zu Unternehmensverantwortung und -berichtswesen ihre Wirksamkeit entfalten sollen.
Die EU-Taxonomie hat nicht nur Umweltschutz, sondern auch soziale Verantwortung im Blick
Die EU-Taxonomie umfasst finanzielle sowie nicht-finanzielle Kriterien. Die Erfüllung dieser Kriterien dient als Grundlage für die Einstufung wirtschaftlicher Aktivitäten als nachhaltig. Zwar ist die Taxonomie in allererster Linie ein Steuerungsinstrument für den Finanzsektor, hat jedoch mittelbare Wirkung auf die herstellenden Industrien, die ja Ziel finanzieller Aktivitäten sind. Zu den auf diese Weise wirksamen nicht-finanziellen Kriterien gehören die Minimierung der Umweltschäden sowie die Einhaltung von geltenden Umweltschutzgesetzen. Die Taxonomie betrachtet auch, ob Unternehmen mitsamt ihrer Lieferketten soziale Verantwortung übernehmen. Ausreichende Arbeitsschutzmaßnahmen und negative Auswirkungen auf lokale Gemeinden können über die nachhaltige Qualität eines Investments entscheiden.
Des Weiteren verschärft die EU ihr Vorgehen gegen Umweltkriminalität. Um diese zu verhindern und angemessen zu verfolgen, wird derzeit die 2008 verabschiedete Richtlinie zur Bekämpfung der Umweltkriminalität entsprechend überarbeitet. Zu den wichtigsten Änderungen soll die strafrechtliche Verfolgung von signifikanten Verstößen gegen die Richtlinien zur Nutzung von Chemikalien zählen. Darüber hinaus sieht die Richtlinie strengere Strafen sowie vermehrte Audits und Inspektionen von Unternehmen vor.
Auch Produkte aus Nicht-EU-Staaten unterliegen den Regulierungen
Damit Unternehmen innerhalb der EU infolge der strengeren Regulierungen keine Wettbewerbsnachteile erleiden, gelten die Regeln des EU Green Deal für alle Produkte, die in der EU verkauft werden. Das heißt, dass Importe aus Nicht-EU-Ländern den geltenden Richtlinien entsprechen müssen. EU-Institutionen können importierte Produkte im Hinblick auf Umwelt-, Gesundheit- und Arbeitsschutz prüfen und bei Verstößen deren Rückruf anordnen oder/und Geldstrafen verhängen.
Der EU Green Deal wird die Art und Weise, wie Unternehmen Waren produzieren bzw. in die EU importieren, tiefgreifend verändern. Die Umstellung auf nachhaltige Produktion ist keine Aufgabe, die von heute auf morgen zu bewältigen ist. Daher lohnt es für Unternehmen, sich möglichst früh mit der Gesetzgebung rund um den Green Deal auseinanderzusetzen und Maßnahmen zu deren Einhaltung frühzeitig einzuleiten.
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