In Waben gelagert - bienenflink kommissioniert
15.04.2013
Maschinenbau
Ein klassisches Merkmal marktüblicher automatischer Wabenlager ist ihre hohe Lagerdichte aufgrund der wabenartig angeordneten Ladungsträger im Regalblock. Gleichzeitig stehen die Systeme für eine hohe Ein- und Auslagerleistung. Daher werden sie im Stahlhandel oft als schnelles Produktions- und Kommissionierlager eingesetzt. Vor einigen Jahren entwickelte der Lager- und Logistikexperte Remmert eine eigene Wabenlager-Lösung. Unsere Redaktion sprach nun mit den beiden Geschäftsführern über das System, die technischen Besonderheiten und Erfahrungswerte aus dem Praxiseinsatz.
Redaktion: Welches waren Ihre Ziele bei der Entwicklung eines eigenen Wabenlagers?
Matthias Remmert: Der Anwendernutzen stand bei der Entwicklung unseres Wabenlagers von Beginn an im Mittelpunkt. Dabei ging es uns nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern darum, neue, zeitgemäße technische Standards zu schaffen und für entscheidende Funktionen technologische Highlights zu entwickeln. Beispielsweise haben wir dem Herzstück eines jeden Wabenlagers - der Ziehtechnik - besondere Aufmerksamkeit geschenkt und eine komplett neue Lösung entwickelt, für die wir ein Patent halten.
Stephan Remmert: Ein weiteres wichtiges Entwicklungsziel war es, unser Wabenlager zu 100 Prozent zukunfts- und investitionssicher zu gestalten. Deshalb haben wir das System nicht nur modular aufgebaut, sondern gleichzeitig auch die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, die Anlage jederzeit entsprechend stetig wechselnden individuellen Anforderungsprofilen neu zu konfigurieren.
Redaktion: Sie sprachen von Ihrer Ziehtechnik als dem Herzstück des Wabenlagers. Wie funktioniert diese Technologie?
Stephan Remmert: Die Zieheinrichtung, die wir übrigens Shuttle nennen, ist eine Komponente des Regalbediengerätes. Sie zieht die Ladeträger aus den Regalfächern und schiebt sie nach der Kommissionierung wieder zurück in die Wabe. Wir haben eine rein elektromechanische Lösung entwickelt, die im Gegensatz zu hydraulischen Varianten nicht die Gefahr einer Leckage birgt. Die Möglichkeit der Verschmutzung empfindlicher Edelstahl- oder Aluminiumartikel durch Öl ist in unserem Wabenlager schlichtweg nicht existent. Ein weiteres technisches Highlight: Unser Shuttle realisiert unterschiedliche Stopppositionen, d.h., man kann die Ziehtechnik für das Handling von Blechen und Langgutgleichermaßen nutzen und mit einem einzigen Shuttle unterschiedlich dimensionierte Ladeträger bewegen. Aufgrund der hohen Positioniergenauigkeit unserer Ziehtechnik ist der komplette Prozessablauf präziser und schneller, was zu einer gesteigerten Anlagenverfügbarkeit führt.
Matthias Remmert: Nicht zuletzt ist das Modul - wie selbstverständlich auch das gesamte Wabenlager - auf höchste Wartungsfreundlichkeit ausgelegt und verfügt über eine extrem lange Lebensdauer. Wir sind übrigens so überzeugt von dieser intelligenten Technik, dass wir auf unser Shuttle fünf Jahre Gewährleistung geben.
Redaktion (schmunzelt): Dass Sie von Ihrer eigenen Anlage überzeugt sind, haben wir uns schon gedacht. Konnten Sie denn in den vergangenen Jahren auch andere Unternehmen für Ihre Entwicklung begeistern?
Matthias Remmert (lacht): Selbstverständlich! Obwohl es sich um ein vergleichsweise junges System handelt, ist unser Wabenlager bereits bei vielen Stahlhändlern, Stahl-Service-Centern und Profilverarbeitern im Einsatz. Bei den meisten Unternehmen haben wir außerdem die bestehenden CNC-Bearbeitungsmaschinen halb- oder vollautomatisch an die Wabe angeschlossen und zusätzliche Kommissionierstationenintegriert. Dies führte bei unseren Kunden ausnahmslos zu erheblichen Durchsatzsteigerungen. Durch unsere integrierte, intuitiv bedienbare Logistiksoftwareprofitieren die Unternehmen zusätzlich von permanent aktuellen Beständen.
Redaktion: Bitte nennen Sie uns einige konkrete Erfahrungswerte. Wie verändert sich das Materialhandling durch den Einsatz des Wabenlagers und wie wirkt sich der von Ihnen postulierte Anwendernutzen in der Praxis aus?
Matthias Remmert: Nehmen wir das Beispiel von SCHMOLZ + BICKENBACH: Der Stahlkonzern nutzt unsere Wabe an seinem österreichischen Distributionsstandort als schnelles Kommissionierlager für Stabmaterial.Das System verfügt über rund 1.500 Kassetten mit einer kundenspezifischen Länge von 6.500 Millimetern und ist über Fördertechnik mit zwei Kommissionierstationen verbunden. Diese werden aus der Wabe vollautomatisch mit dem gewünschten Material versorgt. Die Lagermitarbeiter entnehmen die georderte Menge an den Kommissionierstationen, das Restmaterial wird automatisch zurückgelagert. Im Ergebnis konnte der Stahlhändler seine Kommissionierzeiten erheblich reduzieren. Darüber hinaus haben wir die kundenspezifische Konfektionierung des Stahls zeiteffizient gelöst: Eine halbautomatische Anbindung der Wabe an zwei Sägestationen ermöglicht SCHMOLZ + BICKENBACH einen handlingarmen Zuschnitt des Materials.
Redaktion: Erlaubt die Leistung Ihres Wabenlagers auch die Anbindung einer größeren Anzahl von Bearbeitungsmaschinen?
Stephan Remmert: Genauso ist es. Durch die Integration von zwei Shuttles auf dem Regalbediengerät maximieren wir die Umschlagleistung der Wabe um rund 40 Prozent auf mehr als 50 Doppelspiele in der Stunde. Beim Großhändler Thomann GmbH in Hergarz gewährleistet unser Wabenlager so die permanente Beschickung von acht Sägemaschinen. Insgesamt realisiert das Unternehmen locker 200.000 Zuschnitte im Jahr. Zusätzlich integrierten wir eine Kommissionierstation, mit der Thomann die Kommissioniergeschwindigkeit um mehr als 60 Prozent steigern konnte. Schafft Thomann in Zukunft weitere CNC-Maschinen an, kann die derzeitige Performance mit dem bestehenden Wabenlagerproblemlos gesteigert werden.
Redaktion: Herzlichen Dank für das informative Gespräch.
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