Stiller Tod durch Überdüngung - Landbau setzt zu viel Stickstoff frei
17.01.2011
Umwelt & Energie
Herwig Klemp
Wachsende Pflanzen entziehen dem Boden Nährstoffe. Ernten wir die Pflanzen oder nutzen wir sie auf dem Weg über Tierhaltung und Fleischkonsum, so werden die von ihnen vorher aufgenommenen Nährstoffe ihrem Standort entzogen. Durch Wahl der Fruchtfolge und durch gezielten Düngereinsatz "managt" der Bauer den Nährstoffgehalt des Bodens so, dass auch die nächste Kultur wieder ausreichend versorgt ist.
Zu den unverzichtbaren Pflanzennährstoffen gehört Stickstoff in seinen verschiedensten Formen. Ohne Stickstoff geht nichts. Andererseits führt ein Zuviel zu enormen Belastungen der Umwelt und teils auch unserer Gesundheit. Nicht von den Pflanzen aufgenommener Stickstoffdünger sickert beispielsweise tiefer in den Boden und verdirbt als Nitrat das Grundwasser. Er gelangt in Teiche, Bäche, Flüsse und ins Meer, fördert dort Algenwachstum, belastet und verändert diese Ökosysteme. Stickstoff wird aber auch als Gas oder in mikroskopisch kleinen Teilchen über weite Strecken mit Luftströmungen transportiert, sinkt oder regnet irgendwann wieder zu Boden. Falls er nicht auf landwirtschaftliche Flächen niedergeht, entfaltet er eine unheilvolle Wirkung:
Moore, Sümpfe, Heideflächen, Magerrasen, vom Grundwasser beeinflusstes natürliches Grünland, dazu Wälder sowie Wiesen und Weiden auf von Natur aus nährstoffarmen Böden reagieren empfindlich auf eine Überdüngung durch Stickstoff. Über 50% unserer heimischen Gefäßpflanzen sind an Nährstoffarmut angepasst. Wird ihr Standort mit Stickstoff überdüngt, so werden stickstoff-liebende Pflanzen gefördert, denen die "Hungerkünstler" nicht gewachsen sind. Beispielsweise werden Orchideen dann von Brennesseln überwuchert.
Die Eutrophierung (Überdüngung) der Landschaft verläuft schleichend, zieht sich teils über Jahrzehnte hin. Sie ist jedoch allgegenwärtig. Die Roten Listen der bedrohten Pflanzen sind voll von Arten, die an Nährstoffarmut angepasst sind. Und da wiederum sehr viele Tiere speziell von diesen Pflanzen abhängig sind ist auch die Liste der gefährdeten Tiere erschreckend lang.
Für jedes der genannten Ökosysteme haben Wissenschaftler abgeschätzt, wie viele Stickstoffeinträge es gerade noch verkraften kann, ohne geschädigt zu werden und seinen Charakter wie auch seine Arten zu verlieren. Gerade noch tolerierbare Einträge von Schad- und Nährstoffen, die auf dem Luftweg eingetragen werden, nennt man generell Critical Loads (CL; "kritische Ladungen"). Da diese Stoffe in der Atmosphäre auch grenzüberschreitend verfrachtet werden, definieren zwei internationale Abkommen beispielsweise die nationalen Höchstmengen der Freisetzung von Schad- und Nährstoffen, darunter von Ammoniak und Stickstoffoxiden.
"Eutrophierende Stickstoffeinträge" sind einer der Indikatoren, die im Rahmen der "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" definiert und untersucht wurden. Im Rahmen dieses Indikators wird der Anteil der Flächen empfindlicher Ökosysteme untersucht, in denen die Critical Loads durch Stickstoffverbindungen nicht überschritten werden. Der Indikatorenbericht kann im Fall der eutrophierenden Stickstoffeinträge als jüngste Datenbestände lediglich auf solche aus dem Jahr 2004 zurückgreifen. Das Ergebnis auf dieser Basis: Nur in 4,3 % der untersuchten Flächen empfindlicher Ökosysteme wurden die Critical Loads nicht überschritten!
Fast 95 % der auf Nährstoffarmut basierenden Landökosysteme werden überdüngt
Im Klartext: Fast 95 % der gegen Überdüngung empfindlichen Landökosysteme werden ständig durch eutrophierende Stickstoffeinträge belastet. In der Folge werden diese Ökosysteme und ihre Arten aus unserem Land verschwinden, wenn nicht konsequent umgesteuert wird.
Die Bundesregierung stellt im Indikatorenbericht 2010 lapidar fest: "Während luftgetragene Stickstoffeinträge aus Verkehr und Industrie von 1990 bis 2004 abgenommen haben, weisen die Ammoniakemissionen und daraus folgende Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft bislang keinen Abwärtstrend auf." Im Jahr 2020 sollen keine empfindlichen Ökosysteme mehr durch Überschreitung der Critical Loads für Stickstoff belastet werden!
Als Fazit kommt der Indikatorenbericht zu folgendem Ergebnis: Um dieses Ziel zu erreichen, seien "künftig große Anstrengungen erforderlich. Insbesondere im Bereich der Landwirtschaft müssen Ammoniakemissionen weiter reduziert werden. Dies kann u. a. durch angepasste, stickstoffreduzierte Fütterungsverfahren, geeignete Lagerung, emissionsarme Ausbringung und möglichst kurze Einarbeitungszeiten von Wirtschaftsdüngern erreicht werden."
Indikator "Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft"
Stammen die "Eutrophierenden Stickstoffeinträge" zwar zu einem wesentlichen Teil aus der Landwirtschaft, aber daneben auch aus der Industrie, dem Verkehr und den Haushalten, so betrachtet ein zweiter Indikator der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt speziell den Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft.
Dieser wird berechnet aus der Differenz zwischen Stickstoffverbindungen, die auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen gelangen - sei es durch Düngung, Saatgut, Futtermittel, zugekaufte Tiere oder durch Lufteintrag - und den Stickstoffmengen, die durch pflanzliche und tierische Marktprodukte wieder aus dem landwirtschaftlichen System abgeführt werden.
Der Stickstoff-Überschuss, also der auf die Fläche gelangte Stickstoff, der nicht wieder durch Produkte abgeführt wir, ist das Problem.
Da nicht alle Stickstoffverbindungen in gleicher Weise pflanzenverfügbar sind, mit Ernterückständen vor allem bei Raps und Gemüse immer auch Stickstoff auf dem Feld bleibt und weil diese Reste für die Humusbildung bedeutsam sind, hat die Bundesregierung für das Jahr 2010 als Zielwert einen Stickstoffüberschuss von 80 kg pro Jahr und Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche festgesetzt - wobei der Überschuss bis zum Jahr 2015 noch weiter reduziert werden soll.
Die aktuelle Situation laut Indikatorenbericht 2010: Von 1991 bis 2007 sank der Stickstoffüberschuss von 132 kg / ha und Jahr auf 105 kg / ha und Jahr. Die Bundesregierung gesteht ein, dass der aktuelle Wert noch weit über dem angestrebten Wert von 80 kg / ha und Jahr liegt - der ja noch reduziert werden soll. Zusätzlich erfahren wir, ein zu Beginn der Zeitreihe, also ab 1991 zunächst sehr deutlicher Rückgang der Stickstoffüberschüsse sei den damals abnehmenden Tierbeständen in den neuen Bundesländern zu verdanken gewesen. Und nicht zuletzt: "Analysen von Betriebsdaten belegen, dass hohe Überschüsse vor allem in Betrieben mit hohem Tierbesatz anfallen."
Ein Fazit:
Die deutsche Landwirtschaft belastet Boden, Wasser und Luft durch die Überdüngung der Felder, Wiesen und Weiden mit Stickstoff. Bedeutende Stickstoff-Überschüsse fallen vor allem in Betrieben mit hohem Viehbesatz an. Die Reduktion der Stickstoffminderung schreitet langsam voran. Der Stickstoff-Überschuss liegt noch weit über dem Zielwert der "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" der deutschen Bundesregierung. Im Bereich der Überdüngung empfindlicher Ökosysteme, die auf Nährstoffarmut angewiesen sind und die auf dem Luftweg mit Stickstoffverbindungen überdüngt werden, hat die Landwirtschaft keinen Fortschritt erzielt. Ungebremst bedroht sie damit beispielsweise mehr als 50 % unserer heimischen Gefäßpflanzen allein schon durch Überdüngung. Kontraproduktiv beim Bemühen um eine geringere Stickstoffbelastung unseres Landes wirkt sich der ständige Ausbau der Massentierhaltung aus.
Nur der letzte Satz ist nicht ausdrücklich durch den Indikatorenbericht 2010 der Bundesregierung gedeckt.
Mehr Infos über Landwirtschaft, den genannten Indikatorenbericht und insgesamt über "das Land vor unserer Tür" finden Sie auf http://www.Landsicht.net
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