Sie brauchen keine neuen Kunden. Nehmen Sie die Alten.
06.11.2014
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Schreckgespenst "50plus": Der Begriff "Demografischer Wandel" ist in aller Munde, das Thema "Ältere Generationen" hat Hochkonjunktur. Doch während Medien und Politik bereits seit Jahren hochgradig sensibilisiert sind, ist das Thema für Unternehmen wie Verkäufer anscheinend immer noch ein blinder Fleck. Vor wenigen Jahrzehnten war es so, dass ältere Menschen eine "aussterbende" Konsumentengruppe waren - der Kampf um die Jungen erschien wesentlich lukrativer. In den Köpfen der Produktentwickler, Marketing- und Vertriebsleiter herrscht auch jetzt noch der Jugendwahn: Die idealen Klienten sind schön, jung und erfolgreich. Nicht alt, grauhaarig und in Rente. Stopp! Diese Haltung ist nicht nur diskriminierend, sondern dumm. Denn die älter werdende Gesellschaft ist in wirtschaftlicher Hinsicht ein Megatrend, den Unternehmen weder steuern noch beeinflussen, wohl aber für ihren Erfolg nutzen können.
Was fällt Ihnen auf, wenn Sie sich in der Stadt aufmerksam umschauen? Wahrscheinlich werden Ihnen mehr ältere Menschen mit einer Gehhilfe als junge Mütter mit Kinderwagen begegnen. Tatsache ist, in Deutschland werden mehr Rollatoren als Bobby-Cars verkauft. Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung vervierfachte sich zwischen 1971 und 2010 von 5 Prozent auf 20 Prozent. Bis 2050 werden gut 33 Prozent 65 Jahre und älter sein. Deutschland wird bereits 2015 die älteste Bevölkerung Europas haben.
Spannungsfeld Demografie - die größte unternehmerische Herausforderung
Es wird von "Altlasten" oder "Rentnerschwemme" gesprochen, die der jüngeren Generation mit ihren überzogenen Ansprüchen in Zukunft auf der Tasche liegen. Wenn Sie die Bezeichnung "Alte" hören, sehen Sie wahrscheinlich Ihre Großeltern vor Ihrem geistigen Auge. Doch die "Alten" von heute sind anders: Sie wollen genauso behandelt werden wie die jüngere oder mittlere Altersgeneration. Sie wollen nicht im Altenheim oder einem als "Rentnerkolonie" bekannten Stadtviertel leben. Sie gehen zu Konzerten, ins Kino und zur Kosmetikerin. Sie bleiben ihrer Bank nicht mehr treu, sondern feilschen um jedes Prozent bei der Geldanlage, kaufen sich PC, Tablet und Smartphone und erfüllen sich den Traum von einer Weltreise. Die meisten der jungen Alten entsprechen nicht mehr dem in die Jahre gekommenen Bild der senilen Greise, die den Großteil ihrer Zeit in den Wartezimmern von Arztpraxen verbringen und lediglich eine karge Rente zum Leben haben. Die Junggebliebenen wollen nicht als "Senioren" oder "Best Ager" bezeichnet werden - sie sind "Fun Ager", die mitten im Leben stehen und es in vollen Zügen genießen. Mit Inkontinenzprodukten, Blasentee, Stützstrümpfen, Treppenliften und Kaffeefahrten wollen sie nicht in Verbindung gebracht werden. Sie sind nicht faul und leben nicht auf Kosten anderer - im Gegenteil. Sie greifen als "Business-Angels" jungen Start-ups unter die Arme und unterstützen sie mit ihrer beruflichen Erfahrung, geben Kurse zum Umgang mit dem iPad für Ältere oder erfüllen sich den Traum von einem eigenen Bioladen, dessen Produkte sie auch über das Internet verkaufen.
Weg mit den Klischees: Die Alten sind die Kundengruppe der Zukunft!
Was gestern gut war, wird auch morgen funktionieren: In diesem Sinne glauben viele Unternehmen immer noch, dass sie an altbewährten Marketing- und Vertriebskonzepten nichts ändern müssen, um ältere Kunden zu halten und neue zu gewinnen. Die Realität sieht jedoch anders aus - ältere Kunden kaufen heute gänzlich anders als früher und auch völlig anders als junge Kunden. Nur Unternehmen, die sich darauf einstellen, können sich ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sichern. Alle anderen, die glauben, dass bei den Alten "nichts zu holen" ist, werden das Nachsehen haben. Auf Grund ihrer Lebenserwartung gehört die heutige "Generation 50plus" noch lange nicht zum alten Eisen.
- Wer heute 50-Jährige als Kunden gewinnt, kann mehr als 30 Jahre Geschäfte mit ihnen machen.
- 50plus ist die reichste und einzige wachsende Bevölkerungs- und Kundengruppe: Ihre jährliche Kaufkraft beträgt 720 Milliarden Euro.
- Jeder zweite Euro, der privat ausgegeben wird, stammt aus ihrem Portemonnaie.
- Sie besitzen 50 Prozent des verfügbaren Einkommens und 75 Prozent aller Vermögenswerte.
Die "Alten" von heute haben nichts mehr gemein mit den schlecht informierten Omas und Opas von früher, die zum Graus vieler Verkäufer und Berater eigentlich nur plaudern und nichts kaufen wollten. Die älteren Semester wissen um ihre Macht als Konsumenten und machen Gebrauch davon. Sie wissen genau was sie wollen, sind kritisch und anspruchsvoll. Sie blicken auf viele Jahrzehnte Konsumerfahrung zurück. Da kann die Verkaufserfahrung eines vielleicht gerade 30-Jährigen nicht mithalten. Um den Bedürfnissen dieser attraktiven Kunden gerecht zu werden, empfiehlt es sich, dass Unternehmen ihre Verkäufer für ein altersgerechtes Verhalten sensibilisieren und immer wieder schulen, denn die Kaufmotive ändern sich. Konzepte, die früher richtig waren und junge Menschen überzeugen, verfehlen bei Älteren ihre Wirkung. Ältere Menschen mögen keine Seniorenrabatte, -Teller und -Veranstaltungen. Sie suchen Integration, nicht Ausgrenzung. Sie wollen akzeptiert, umworben und überzeugt werden. Entscheidend für den Verkaufserfolg ist vor allem eine ehrliche Grundhaltung; die "Generation 50plus" legt größten Wert auf Respekt und Wertschätzung. In der Praxis heißt das, dass einem ungeduldigen Verkäufer in der Mobilfunkabteilung auf keinen Fall ein Satz wie "Ich habe genau das Richtige für Sie - wir haben hier zwei tolle Seniorenhandys mit extra große Tasten und einfach programmierbarer Notruffunktion" rausrutschen sollte, wenn ein technisch interessierter 60-Jähriger sich nach dem neuen Flaggschiff auf dem Smartphone-Markt erkundigt.
Wie die "Alten" wirklich ticken: Tipps für Ihren Unternehmenserfolg
Es gibt ältere Menschen, die ein Restaurant schon deshalb nicht betreten, weil auf der Speisekarte am Eingang ein Seniorenteller angeboten wird. Warum können die angebotenen Gerichte nicht als halbe Portionen oder klein, mittel und groß bezeichnet werden? Die Herausforderung besteht darin, für ältere Menschen Produkte und Dienstleistungen anzubieten, ohne dass ihnen das Seniorenetikett anhaftet.
"Greifen Sie zu! Dieser Flachbildfernseher mit 3D-Funktion ist ein Supermega-Sonderangebot, das ich Ihnen nur heute machen kann!" Für eine teure Anschaffung planen ältere Menschen genügend Zeit ein, um umfassend online wie offline zu recherchieren und Preise zu vergleichen. Entsprechend sollten Verkäufer darauf geschult sein, dass ältere Kunden von ihnen als Berater einen ruhigen Einkauf ohne Zeitdruck erwarten. Wer als Verkäufer immer wieder auf die Uhr schaut und beim Anblick eines Klienten Mitte 20 mit den Worten "Moment, ich muss hier mal kurz einspringen ..." verschwindet, ist durchgefallen. Neben der ausführlichen Beratung sind vor allem die vermeintlichen Kleinigkeiten entscheidend: Ältere Menschen lieben es, aufmerksam behandelt zu werden. Öffnen Sie Ihnen also beim Betreten des Geschäfts die Türe, bieten Sie ein Getränk an, wenn sie warten müssen. Als Stammkunde schätzen sie es, mit Namen begrüßt zu werden. Zeigen Sie, dass Sie sich um sie bemühen und dass Ihnen ihr Wohlergehen am Herzen liegt.
Mit folgenden Tipps können Sie bei den Kunden 50plus punkten:
- Begleiten statt weiterleiten: Ältere Kunden schätzen persönliche Betreuung von Beginn bis zum Abschluss des Verkaufgesprächs. Lassen Sie sie daher niemals mit der Ware in der Hand und den Worten "Die Kasse ist da hinten!" stehen, sondern begleiten Sie sie persönlich dort hin und übernehmen Sie die Zahlungsabwicklung.
- Sorgen Sie dafür, dass alle Mitarbeiter lesbare Namensschilder tragen! Ihre älteren Kunden möchten wissen, mit wem sie es zu tun haben.
- Beratung muss klar und verständlich sein: Wenn ein Verkäufer mit Anglizismen nur so um sich wirft, kann das als nicht wieder gutzumachende Respektlosigkeit empfunden werden und zum Kaufabbruch führen.
- Sprechen Sie Ihre Stammkunden mit Namen an und achten Sie darauf, dass diese in E-Mails und Postsendungen richtig geschrieben sind. Ein 25-Jähriger mag vielleicht darüber hinwegsehen, wenn sein Sportverein ihn seit Jahren wahlweise mit falschgeschriebenem Namen oder Anschrift adressiert - für 50plus kann dies Grund genug sein, die Mitgliedschaft zu kündigen und zur Konkurrenz zu wechseln.
Fazit: Kunden 50plus sind nicht "alt und doof", ebenso wenig sind sie in Bezug auf ihre Käufe traditionsgebunden. Wenn sie sich schlecht behandelt fühlen, wechseln sie ihre Bank, ihr Autohaus, ihre Boutique oder ihren Herrenausstatter, selbst wenn sie dort jahrelang Stammkunde waren. Unternehmen können dem vorbeugen, indem sie ihre Mitarbeiter auf den Umgang mit älteren Kunden gezielt trainieren. Gefragt ist vor allem ein Sprach- und Verkaufsverhalten, das die älteren Menschen ernst nimmt und sie respektvoll behandelt. Noch ein wichtiger Punkt: Viele ältere Kunden freuen sich über eine Altersähnlichkeit bei ihren Gesprächspartnern. Die Vertrauensbildung zu einem vergleichbar alten Verkäufer verläuft in der Regel schneller. Der Kunde hat das Gefühl, dass sein Gegenüber ihn und seine Probleme besser versteht, weil er oder sie sich in der gleichen Situation befindet. So sind ältere Kunden häufig unsicher, wenn sie sich beispielsweise ein neues technisches Gerät kaufen wollen, etwa ein Navigationssystem oder einen Tablet-PC, da sie fürchten, von jungen Verkäufern belächelt zu werden. Bei einem gleichaltrigen Berater hätten sie weniger Scheu, die Fragen zu stellen, die ihnen wirklich auf den Nägeln brennen. Hier werden sie sicher nicht ausgelacht, wenn sie zum Beispiel fragen, wie das eigentlich mit "diesem App Store" funktioniert. "Das war für mich zuerst auch ein Buch mit sieben Siegeln. Aber so schwierig ist es gar nicht, ich zeige es Ihnen gerne. Wenn Sie danach noch Fragen haben, können Sie jederzeit anrufen und ich helfe Ihnen." Es sind solche sympathischen Antworten, das richtige Verständnis und ein zuvorkommender Service, die sich ältere Kunden heute wünschen.
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