"Wer häusliche Pflege wünscht, muss diese auch fördern!"
18.02.2011
Vereine & Verbände
Zum Hungertod einer 47-jährigen schwerstbehinderten Frau, deren als Betreuer eingesetzter Bruder in dieser Woche vom Landgericht Tübingen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge jeweils durch Unterlassen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden war, sagt Elke Baezner, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS): "Ein solcher Missstand ist kein Einzelfall. Misshandlungen von Hilfsbedürftigen, die bisweilen in Polizeistatistiken bekannt, aber meist tabuisiert würden, und schlechte Versorgung sind ein Armutszeugnis für die Pflegesituation in Deutschland."
Die Ankündigungen von Bundesgesundheitsminister Philip Rösler (FDP), mit dem "Pflegedialog" den Pflegeberuf durch bessere Rahmenbedingungen attraktiver zu machen, bezeichnet Elke Baezner als Lippenbekenntnis und unzureichend.
Von den rund 2,3 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden etwa 1,6 Millionen zu Hause versorgt. Betroffen sind bis zu vier Millionen pflegende Angehörige, meist Frauen. Mehr als 20 Prozent von ihnen sind darüber hinaus berufstätig. Viele Experten fürchten schon bald einen Pflege-Kollaps. Denn bereits in zehn Jahren wird es rund drei Millionen Pflegebedürftige geben, besagen Rechnungen des Statistischen Bundesamts.
"Der Staat muss für Kranke und Senioren mehr Verantwortung übernehmen. Die Menschen sind in häuslichen Pflege-Situationen viel zu sehr auf sich allein gestellt. Ähnlich wie die Jugendämter sollten Senioren-Ämter um das Wohl von Älteren und Kranken bemüht sein und sich einschalten, wenn Mängel bekannt werden. Zudem muss auch die professionelle Pflege als Beruf und Aufgabe von der Gesellschaft mehr wertgeschätzt und unterstützt werden", so Baezner. Der Berufsstand sei nach wie vor unterbezahlt, die Arbeit von pflegenden Familienangehörigen werde praktisch kaum honoriert.
"Die Pflege unserer Alten und Kranken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht am Einzelnen hängen bleiben darf." Ambulante Pflegedienste, die Angehörige unterstützen sollten, müssten in größerem Umfang eingesetzt und per Umlage finanziert werden. Seit Jahren fordert die DGHS, dass Missstände im Umgang mit Kranken und Sterbenden stärker kontrolliert, öffentlich bewusst gemacht und unverzüglich beseitigt werden. Elke Baezner: "Das müssen uns unsere alten Mitbürger wert sein!"
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