ANINOVA deckt massenhaften Einsatz von Antibiotika in Putenmast auf
19.12.2023
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Immer wieder deckt die Tierrechtsorganisation ANINOVA e.V. (ehemals Deutsches Tierschutzbüro e.V.) Tierschutzverstöße in der Massentierhaltung auf und bringt diese an die Öffentlichkeit. Die Bilder zeigen meist Tierquälerei und Misshandlungen von Tieren. Doch die Tiere leiden auch durch die unsachgemäße Verabreichung von Medikamenten. Jetzt deckt ANINOVA den massenhaften Einsatz von Breitband-Antibiotika und Reserve- Antibiotika in einer Putenmastanlage in NRW auf. Begleitet wurde die Organisation von dem ProSieben Journalisten Thilo Mischke, der gestern eine große Reportage über Antibiotika und deren Folgen auf die menschliche Gesundheit veröffentlicht hat. Weitere Informationen hier.
Es ist mitten in der Nacht. Ein ANINOVA-Recherche-Team trifft sich auf einem Parkplatz irgendwo in Nordrhein-Westfalen. Letzte Vorbereitungen und Einsatzbesprechung, das Ziel in dieser Nacht ist die Dokumentation von Antibiotika-Verabreichung in der Massentierhaltung. Kurz bevor es losgeht, stößt ProSieben Journalist Thilo Mischke auf das Team. Er möchte die Undercover-Recherche begleiten. Gemeinsam fahren sie zum Betrieb.
Weltweit ist die Landwirtschaft die größte Verbraucherin von Antibiotika. In keinem anderen Bereich, auch nicht in der Humanmedizin, werden so viele Antibiotika eingesetzt. Besonders hoch ist der Verbrauch in der Geflügelbranche. "Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 wurden über 90 % der untersuchten Puten-Mastzyklen in Nordrhein-Westfalen mit Antibiotika behandelt", so Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsorganisation ANINOVA. Ob sich daran etwas verändert hat, will das Recherche-Team herausfinden.
Die Tierrechtler*innen betreten eine Putenmast, die bereits in der Vergangenheit wegen Tierschutzverstößen negativ aufgefallen ist. In einer riesigen Halle werden rund 10.000 Puten zusammengepfercht. Einen Auslauf nach draußen haben die Tiere nicht. Pro Quadratmeter werden rund drei Puten gehalten. Gesetzliche Vorgaben zur Putenhaltung gibt es in Deutschland nicht. "Jeder Betrieb kann so viele Tiere in einen Stall quetschen, wie er will, und er verstößt dabei noch nicht einmal gegen ein Gesetz, weil es keines gibt", kritisiert Peifer. Für den Tierrechtler ist klar: "In solchen katastrophalen Haltungsbedingungen werden Tiere krank". Im Mastvorraum wird das Recherche-Team fündig. Gleich kiloweise stehen dort verschiedene Antibiotika. Aus vorgefunden Dokumenten wird klar, dass der Mäster die Tiere selbst über die völlig verdreckte Trinkwasseranlage behandelt. "Somit wird der gesamte Tierbestand regelrecht mit Antibiotika vollgepumpt", sagt Peifer. Eigentlich sollten nur die Tiere behandelt werden, die auch krank sind. Stattdessen werden Antibiotika indirekt als Leistungsförderer eingesetzt, obwohl das in Deutschland seit Jahren verboten ist. "Den Tieren wird regelrecht ein Medikamenten-Cocktail verpasst", so Peifer. Hinzu kommt, dass einige Puten deutlich mehr trinken und damit auch mehr Antibiotika aufnehmen, während andere Tiere bereits so geschwächt sind, dass sie nicht mehr an das Trinkwasser herankommen. Diese Tiere bräuchten dringend Medikamente, erhalten am Ende aber nichts.
Thilo Mischke und das ANINOVA Recherche-Team nehmen Proben an verschiedenen Stellen, denn sie wollen wissen, welche Antibiotika tatsächlich verabreicht werden und wie viel. Das Ergebnis ist erschreckend, denn die Labor-Untersuchungen konnten sowohl das Breitband-Antibiotikum Amoxicilin als auch das Reserve-Antibiotikum Colistin im Trinkwasser der Puten nachweisen. "Solche Antibiotika sollten eigentlich der Humanmedizin vorbehalten werden, denn im Notfall braucht es genau solche Reserve-Antibiotika, um den Menschen zu helfen", so Peifer. Außerdem wurde Genmaterial von resistenten Bakterien im Einstreugemisch der Puten durch die Labor-Untersuchung nachgewiesen.
Am Ende der Undercover-Recherche steht fest: Noch immer werden im großen Stil Antibiotika und sogar Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung eingesetzt. Im Jahr 2021 wurden allein in Deutschland rund 600 Tonnen Antibiotika an sogenannte Nutztiere verabreicht. "Die Politik und die Agrarindustrie versprechen uns allen seit Jahren, dass sie dafür sorgen würden, dass es den Tieren zukünftig besser geht, doch am Ende passiert einfach nichts", kritisiert Peifer und empfiehlt den Menschen die vegane Lebensweise, "denn nur so wird die Tierquälerei beendet. Zudem trägt sie zum Schutz von Antibiotika-Rückständen bei, die immer wieder auf Fleischprodukten im Supermarkt gefunden werden".
Weitere Informationen zu der Aufdeckung hier.
Bildmaterial senden wir auf Anfrag zu.
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